70 Dagegen ist das eigentliche ‚Machen, das Erfinden, Schaffen neuer Methoden dem Weibe versagt. Sie kann sozusagen nicht Meister werden, denn Meister ist, wer was erdacht. 17 Lise Meitner wurde als drittes von acht Kindern, insgesamt fünf Mädchen, in eine gebildete jüdische Rechtsanwaltsfamilie hineingeboren. Ihre Eltern waren bestrebt, ihren Kindern unabhängig vom Geschlecht eine sehr gute Ausbildung zu ermöglichen, damit sie ein Leben in finanzieller Unabhängig ­keit führen können. Mit 23 Jahren hielt Lise Meitner das heiß ersehnte Ma­turazeugnis in der Hand. Von 14 Frauen, die antraten, nachdem sie in einem Lernmarathon den Lernstoff von acht Jahren in nur zwei Jahren absolviert hatten, erreichten nur vier Frauen das Ziel. Fürreif empfunden, inskribier­te sie an der Universität Wien und belegte die Fächer Physik, Mathematik und Philosophie. Durch Erlass des Ministeriums vom 23. März 1897 wurden Frauen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und abgelegter Matura ab dem 18. Lebensjahr als ordentliche Hörerinnen an der philosophischen Fa­kultät zugelassen. 1906 promovierte Meitner als zweite Frau in Physik. Atome, Röntgenstrahlen, radioaktive Strahlung das Atomzeitalter war angebrochen und die angehende Physikerin fasziniert von den physika­lischen Phänomenen und aktuellen Forschungen. 1902 wurde der Physi ­ker Ludwig Boltzmann zum Professor der Theoretischen Physik ernannt: Seine Vorlesungen eröffneten Lise die Schönheit dieses Fachs. Er war eine charismatische Persönlichkeit, jedoch angefeindet in wissenschaftlichen Kreisen ob seiner Lehre derTeilbarkeit des Atoms. Trotz des Angebots einer Anstellung in der Auer-Gasglühstrumpffabrik, für einMädl ein ungewöhnliches Angebot, entschied sie sich 1907, ihre physikalische Ausbildung bei Max Planck in Berlin zu vertiefen. Sie wollte nur ein paar Semester bleiben, es wurden 31 Jahre. Sich ganz der Physik und ihrenGeheimnissen zu widmen, den wissenschaftlichen Austausch mit Kollegen und Experten zu pflegen, dazu hatte sie in Berlin die beste Gelegenheit. An der Friedrich-Wilhelms-Universität war Max Planck Ordi­narius für Theoretische Physik, Walter Nernst hatte den Lehrstuhl für Phy­sikalische Chemie inne. Bei Heinrich Rubens hörte sie Experimentalphysik, dieser brachte sie dann auch mit Otto Hahn zusammen. Bei den Vorlesun­gen war sie die einzige Frau unter 20 Studenten. Doch nur in Vorlesungen zu sitzen, war ihr zu wenig, sie wollte forschend tätig sein. DasLabor war in Ermangelung anderer Räumlichkeiten in einer ehema­ligen Tischlerwerkstatt untergebracht. Ordinarius Emil Fischer, kein Freund