90Eine Weiterentwicklung dieser Wohnidee stellte Margarete Schütte-Lihotzky1928 in der Münchner Ausstellung„Heim und Technik“ aus: Wohneinheiten mit je einem Wohn-Schlafraum mit integrierter Koch- und Waschnische, Flur und kleiner Terrasse sowie eine gemeinsame Wirtschafterin, diedie„Hausarbeit“ übernahm. Insgesamt waren Einheiten für je zehn Frauenmit einer Wohnung für die Wirtschafterin und den erforderlichen Nebenräumen geplant.Margarete Schütte-Lihotzky wurde 1897 geboren und wuchs gemeinsammit ihrer älteren Schwester in Wien auf. Sie selbst bezeichnete sich in ihrerBiografie als„ein künstlerisch naives und unwissendes Geschöpf aus bürgerlich-halbintellektuellen Kreisen.“2Ihre Eltern – der Vater war Beamter –unterstützten sie in ihrem Bestreben, Architektur zu studieren: kein leichtesVorhaben, waren Frauen zu dieser Zeit doch weder an der Akademie derbildenden Künste noch an der Technischen Hochschule zugelassen.Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule sowie der GraphischenLehr- und Versuchsanstalt bestand sie 1915 die Aufnahmeprüfung an derKunstgewerbeschule und beendete ihr Studium 1923 als erste Architektin in Österreich. Während ihres Studiums hatte sie mit der Ablehnungmancher Professoren, u. a. Josef Hoffmanns, zu kämpfen, der Mädchennur in seine Modeklasse aufnahm, da diese ohnehin heiraten und somitihren Beruf nicht ausüben würden – es also eine Mühe sei, die sich nichtlohne. Umso mehr schätzte sie Oskar Strnad, den charismatischen Lehrer,der ihr Denken und ihren Zugang zur Architektur stark beeinflusste. Einwährend ihrer Ausbildung ausgeschriebener Wettbewerb für Arbeiterwohnungen überzeugte sie, mit der Architektur doch den richtigen Entschlussgefasst zu haben.„Ich wollte mich daran beteiligen. Strnad sagte:‘Gut.Aber bevor Sie damit anfangen, gehen Sie hinaus in die Arbeiterbezirkeund sehen sich an, wie die Arbeiter bei uns heute wirklich leben.‘“3Dieswar ein beeindruckendes wie prägendes Ereignis. Fortan wollte sie ihrSchaffen in den Dienst des sozialen Wohnbaues stellen, eine Idee, die siemit Adolf Loos teilte. Sie arbeiteten ab 1920 gemeinsam an der WienerSiedlerbewegung und im Baubüro der Siedlung Friedensstadt am LainzerTiergarten. Bis zu seinem Tod verband sie eine enge Freundschaft.1922 war Schütte-Lihotzky als Architektin für die„Erste gemeinnützigeSiedlungsgenossenschaft der Kriegsinvaliden Österreichs” tätig. 1926holte sie Ernst May an das Hochbauamt der Stadt Frankfurt, wo sie mit derNormierung von Bauteilen und der Rationalisierung von Bauprozessen befasst war, um die Kosten möglichst gering zu halten. Optimale Raum- und