126die(scheinbar) glücklichen Momente, die repräsentativen Momente unddiejenigen, die ein intaktes Familienleben zeigen sollen, aufgenommenwurden. Mit der extremen Verbilligung des Materials(vorerst noch nichtder Kameras) wurden die Kameras laufen gelassen, auch wenn geradenichts Besonderes oder Repräsentatives passierte. Auf der Ebene derDarstellung von Familienleben bedeutete dies auch, dass die Konflikte,die Streits, die Langeweile und der Alltag ins Bild kamen. Die Aufnahmenzeigen so die Familie nicht(nur) als einen„Ort des Glücks“ – eine Interpretation, die nicht zuletzt von der Wissenschaft schon vor langem als normative Setzung entlarvt wurde.9Es stellt sich auch die Frage für wen – also fürwelche gegenderten und ethnisierten Subjektpositionen – der Familienzusammenhang welche Bedeutung hat. Außerdem kann bei der Betrachtungder Bedeutung von medialen Praktiken im nichtprofessionellen Bereichnicht von der weißen Kleinfamilie als Norm ausgegangen werden, sondernmüssen die vielen verschiedenen existierenden Zusammenlebensformenzur Kenntnis genommen werden: über ein oder mehrere Länder verstreuteFamilien, Wohngemeinschaften, queere Wahlverwandtschaften, FreundInnen-Netzwerke, durch Arbeitsmigration teilzeit-zusammenlebendeGruppen und Patchwork-Familien.Die Idee davon, wie sogenanntes privates Leben organisiert und strukturiert ist oder sein soll, prägt auch die Vorstellung von seiner Repräsentation. Die Home Videos entstehen in einem breiten Zusammenhangder Auffassungen von Technik, Familie, Privatheit und Öffentlichkeit, vonFreizeit und Arbeit. Es definieren nicht nur Produktwerbungen und Amateurfilmvereine mit, wie ein ideales Home Video zu sein hat, insbesondereRepräsentationen der Familie entstehen in Wechselwirkung zu Familienkonstruktionen auf vielen Ebenen. Die Medienwissenschaftlerin PatriciaR. Zimmermann betont in ihrer Sozialgeschichte des Home Movies, dassin den Diskursen der Technikpopularisierung, in Produktwerbungen undVerkaufsstrategien Konzepte von Privatheit, Familie und Häuslichkeit ersthergestellt bzw. reaktualisiert werden.10Home Videos prägen also – neben vielen anderen medialen Produktionen – auch unsere Vorstellungen davon, wie Familie auszusehen hat, wiePrivatleben funktionieren sollte und was ein erfülltes Leben ausmacht.Einer dieser sehr starken Kontexte ist das Fernsehen beziehungsweise dieFamilienserie, wie am Beispiel eines Werbespots für ein Betamax-SystemEnde der 1970er-Jahre deutlich wird:https://www.youtube.com/watch?v=t2v_qEVTh10