132 Frauen waren an der Entwicklung nicht beteiligt, gehörten aber von Beginn an zu den Nutzerinnen dieses Systems und trugen zur Verbreitung dieser Technik bei. Ein Beispiel hierfür ist die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner(1843–1914). Die Sammlung von Tonzylindern in der Österreich­ischen Mediathek enthält eine Aufnahme mit der Beschriftung:Gespräch von Tante Boulotte(Bertha v. Suttner) Ebenfurth 23. Mai 1904. Hierbei handelt es sich um die wahrscheinlich einzige Aufnahme mit der Stimme der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin. Sie besaß nachweislich einen Phonographen, am 23. Mai 1904 notierte sie in ihrem TagebuchIch spre­che in das Gramophon. Die Tonqualität der Aufnahme ist sehr schlecht, was einerseits auf das Alter und andererseits auf die Zielsetzung der Auf­nahme als Unikat zum privaten Gebrauch zurückzuführen ist. Jedoch ist diese Aufnahme aus mehreren Gründen bedeutsam und symbolträchtig: Bedeutend, obwohl man kaum etwas versteht, ist sie vor allem dadurch, dass sich hier eine Sprachaufnahme erhalten hat, denn diese standen und stehen auch heute noch zahlenmäßig weit hinter Musikaufnahmen. Dass es die Sprachaufnahme einer Frau ist, macht sie besonders kostbar. Viele der heute überlieferten Sprachaufnahmen entstanden zu einem guten Teil in einem wissenschaftlichen Kontext. In Österreich war es vor allem das Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (gegründet 1899), das sich mit diesen Stimmaufnahmen beschäftigte. Sie stammten von Mitgliedern des Herrscherhauses, Politikern und Beamten, Wissenschaftlern, MusikerInnen, SchriftstellerInnen, Bildenden KünstlerIn­nen sowie Schauspielern. Wenig überraschend ist dabei, dass sich Frauen nur unter den MusikerInnen, SchriftstellerInnen und Bildenden KünstlerIn­nen finden, mit der Ausnahme des Bereichs Schauspieler, denn bei dieser Berufsgruppe spiegelt das Fehlen von Frauenstimmen nicht die tatsächliche Situation wider. Sonst gibt die Sammlung der Stimmaufnahmen sehr gut das Bild der gesellschaftlichen Realität am Beginn des 20. Jahrhunderts wider, wo Frauen in der Politik und der Wissenschaft praktisch keine Rolle spielten. Das aktive und passive Frauenwahlrecht und damit die Möglichkeit einer Vertretung von Frauen in einer politischen Körperschaft wurde erst 1918 ein­geführt. Die erste Universitätsprofessorin wurde in Österreich 1921 ernannt: die Sprachwissenschaftlerin Elise Richter. Generell kann Frauengeschichte oder eine Geschichte der Frauenbewegung zumindest in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit historischen Tonquellen nicht erzählt werden; ja es können nicht einmal signifikante Ereignisse, wie etwa die Einführung des Wahlrechts für Frauen in Österreich 1918, mit zeitgenössischen Kommenta­ren von Frauen belegt werden. Betrachtet man die Geschichte der Frauen­bewegung, so steht die Habsburgermonarchie, was die Öffentlichkeit und die politische Agitation betrifft, beispielsweise hinter den angelsächsischen