79 Anfangs sind die nur schwach geschützten Schiffskonvois der Alliierten leichte Beute. Die Zahl an Versenkungen durch deutsche U-Boote steigt rasch an. Neben dem Verlust von Nahrungsmitteln und Kriegsgerät macht sich der an Schiffen selbst schmerzlich bemerkbar. Überdies sterben zivile Matrosen in großer Zahl. Angesichts der dramatischen Lage wächst in Bletchley Park die Überzeu ­gung, dass man mit Kryptologie alleine nicht ans Ziel kommt, zumindest nicht rechtzeitig. Einen Ausweg erkennt man in der Erbeutung aktueller Schlüsselunterlagen, weshalb bald regelrechte Beutezüge vonstatten gehen. Nachdem im August 1940 auf einem deutschen Schiff die letzte noch unbekannte Walze VIII erbeutet werden kann, erfolgt im Februar 1941 ein geheimes Kommandounternehmen mit ähnlichem Auftrag. Mehrere Kriegsschiffe laufen in Richtung Norwegen aus und stellen ein deutsches Vorpostenschiff. An Bord können Schlüsselunterlagen sichergestellt werden. Teil der Beute sind unter anderem die Februar-Einstellungen des wichtigsten MarineschlüsselkreisesHeimische Gewässer, der in Hut Eight alsDolphin firmiert. Die lang ersehnten Unterlagen zu Walzen ­lage und Ringstellungen sowie Grundstellung und Steckerverbindungen ermöglichen, dass noch am 12. März, dem Tag, an dem Alan Turing die Dokumente in die Hände bekommt, einige alte deutsche Marinefunksprü­che entziffert werden können. Der zutage tretende Inhalt ist von mäßigem Interesse, doch immerhin erbringen die Dechiffrierungen einige Mosaik­steine für die Rekonstruktion der aktuellen Doppelbuchstabentauschta­feln. Ende März sind diese ziemlich komplett, was eine unverzichtbare Voraussetzung für das Schlüsselbrechen darstellt. Die Jagd nach Schlüsselunterlagen geht indes weiter. In Hut Four folgert Harry Hinsley aus seinen Funkverkehrsanalysen, dass deutsche Wetter­schiffe an entfernteste Punkte entsandt werden, um Wetterbeobachtun­gen zu machen und nach Deutschland zu funken. Er empfiehlt in einem Bericht an die Admiralität, ein solches Schiff zu kapern, das auf seinen langen Fahrten Schlüsselunterlagen für Monate auf See mitführen würde. Die Admiralität stimmt dem zu. In weiterer Folge wird Anfang Mai 1941 ein deutsches Wetterbeobachtungsschiff über Einpeilung seiner Funksprüche geortet und von sieben britischen Kriegsschiffen gestellt. Erneut werden wichtige Schlüsselunterlagen erbeutet. Noch reichere Beute machen die Briten nur zwei Tage danach, als es ge­lingt, das deutsche U-Boot U 110, das in einen Schiffskonvoi eingedrungen ist und Schiffe torpediert, so schwer zu beschädigen, dass es nicht mehr entkommen kann. Der Kommandant des U-Boots befiehlt der Besatzung, das angeschlagene Boot zu verlassen. Da er meint, es werde ohnehin bald