101 schließt der deutsche Marinenachrichtendienst aus diversen Fehlannah­men im britischen Lagebild, dass der Funkverkehr deutscher U-Boote in London nicht mitgelesen werde. Man hält eine Kompromittierung der Enigma für äußerst unwahrscheinlich. Es ist die fatale Selbsttäuschung, derer man sich immer wieder hingibt: Würden die Briten deutschen Funk mitlesen, wären sie wohl auch darüber informiert, dass die deutsche Seite ihren Funk mitliest; und in diesem Fall würden sie ihre Schlüsselverfahren geändert haben, was bislang nicht geschehen sei... Trotzdem muss Dönitz erkennen, dass dasSchachspiel mit dem Geg­ner auf der Atlantikkarte, das bislang passabel funktioniert hat, merklich schwieriger wird. Das liegt daran, dass die Briten nach ihrem Einbruch in den U-Bootschlüssel Shark nun entgegen aller Annahmen sehr wohl sei­nen Funkverkehr belauschen und sich ihrerseits bemühen, seinen Zügen zuvorzukommen. Es entsteht eine Pattsituation: Obwohl Dönitz Informa­tionen über die Fahrpläne der Konvois erhält, gehen seine U-Boote oft leer aus, da die von der britischen Marineführung gewarnten Konvois sie umschiffen. Nachdem der Beobachtungsdienst Ende Januar Kursanweisungen für einen Konvoi entziffert hat, lässt Dönitz Anfang Februar 1943 eine sich über hunderte Meilen erstreckende Sperrkette aus U-Booten bilden. Bei solchen Sperrketten beziehen die Boote in einem bestimmten Abstand zueinander quer zur Route des Konvois Position, um ihre Opfer wie in einem aufgespannten Treibnetz zu erwarten. Eines der U-Boote sichtet des Nachts den Konvoi und funkt die Sichtungsmeldung an die U-Boot-Füh­rung. Dönitz formiert daraufhin aus der Ferne ein Rudel aus zwanzig U-Booten, die er an den Konvoi herandirigiert. Am Schauplatz angekom­men, entwickelt sich ein tagelanger Kampf, an dessen Ende dreizehn Schiffe des Konvois, aber auch drei U-Boote gesunken sind. Wenig später setzt Dönitz einen weiteren U-Boot-Streifen an, um einen ausgemachten Konvoi zu erwarten. Sechsunddreißig Stunden später ist sein Einsatzbefehl in Bletchley Park entziffert und der gefährdete Konvoi erhält einen Umleitungsbefehl. Dasselbe passiert mit einem anderen Konvoi, der vom Beobachtungsdienst identifiziert und von herangeführten U-Booten erwartet wird. Auch dieser Befehl wird in Bletchley Park entzif­fert, wieder werden Schiffe umgeleitet. Kurz danach meldet der Beob­achtungsdienst neuerlich die Position eines Konvois, auf den Dönitz zwei U-Boot-Streifen ansetzt. Am nächsten Tag ist auch dieser Befehl entziffert und der bedrohte Konvoi gewarnt. Aber noch am gleichen Tag liefert der Beobachtungsdienst eine Position dieses Konvois, aus der man auf seinen aktuellen Kurs schließen kann. Die beiden angesetzten U-Boot-Gruppen werden in die vermutete Richtung dirigiert, und obwohl auch diese