82Frau P. den Herd 1963 in ihre Wohnung mit. Für die tägliche Essensbereitung bevorzugte sie die Schnellkochplatte; die großen Platten verwendete sie eher nur, wenn sie Gäste bekochte oder Marmelade machte. DasBackrohr nutzte sie viel, die Grillfunktion bloß zum Überbacken, nicht zumGrillen. Und die Zeitschaltuhr kam lediglich beim Backen zum Einsatz,allerdings nicht, um den Herd bei Abwesenheit in oder außer Betrieb zunehmen, sondern um die Backzeit festzulegen, da dafür ein vereinfachtesEinstellungsprozedere reichte. Als Frau P. 1968 wegzog, verblieb derAEG-Herd in der Wohnung. Bei ihrer Rückkehr 2005 war der Herd veraltet.Da sie inzwischen ein Cerankochfeld und ein Backrohr mit Glasfenster gewohnt war, erwarb sie anlässlich der Küchenrenovierung 2007 einen neuenHerd. Wie sehr sie den alten dennoch schätzte, bezeugt ihr Brief an dasTechnische Museum:„Ich freue mich sehr, dass mein geliebter Herd‚am Leben bleibt‘!“, schrieb sie.Die Automatisierung der Heizquelle bedeutet nicht, dass die Arbeit desKochens abgenommen, sondern dass sie umstrukturiert und den technischen Möglichkeiten angepasst wird. Dies wurde aber unscharf gehaltenund„automatisches Kochen“ als Entlastung propagiert. Die Gebrauchsanweisung zum AEG-Herd wirbt mit dem Slogan„Eine Uhr, die Ihnen Freizeitschenkt“. Am Cover sind eine Frau, die auf einer Schreibmaschine tippt,der Herd mit Kochtopf und die Schaltuhr zu sehen. Die Botschaft ist klar,das Kochen erfolgt ohne Zutun, die Frau widmet sich dem Beruf oder anderen Interessen:„Sie haben gut gewählt, denn die AEG-Schaltuhr machtSie unabhängig von Ihrem Herd. Wenn sie eingestellt ist, arbeitet die Vollautomatik Ihres Elektroherdes für Sie. Ob Sie nun kochen, backen, braten,grillen oder einkochen wollen, Sie brauchen nicht mehr dabei zu sein – dieSchaltuhr denkt und arbeitet für Sie. Rechtzeitig schaltet sie den Strom zujeder gewünschten Tageszeit ein und zum genau bestimmten Zeitpunktwieder aus. Wenn Sie berufstätig sind, werden Ihre Lieben die Vorteileder Vollautomatik bald zu schätzen wissen. Nun gibt es das Abendessengleich, wenn Sie heimkommen. Sie brauchen nicht erst in großer Eile einBlitzgericht zu zaubern.“ Später, als die Handhabung der Schaltuhr erklärtund Rezepttipps gegeben werden, kommt doch noch Kocharbeit ins Spiel:„Bei vielen Gerichten gibt es zunächst etwas anzubraten[…] Hier bleibenSie wie immer dabei, da Sie den Grad der Bräunung ja selbst bestimmenwollen. Wenn Sie anschließend Flüssigkeit auffüllen,[…] wird die weitereKochzeit auf der Schaltuhr eingestellt – die Uhr sorgt dann für das Ausschalten. Falls Sie berufstätig sind, können Sie z. B. ein Schmorgerichtmorgens anbraten und lassen es erst abends mit Hilfe Ihrer Schaltuhrfertigkochen.[…] Das Kochgut wird also durchgehend auf der niedrigen