88Freiheit aus der Kälte –der KühlschrankUm naturbedingte Verwesungsprozesse zu verlangsamen oder für einegewisse Zeit zu verhindern, stehen physikalische und chemische Verfahrenzur Verfügung. Kälte wird ebenso genutzt wie Wärme, letztere zum Trocknen, Pasteurisieren und Sterilisieren. Weitere Optionen sind das Zusetzenkonservierender Substanzen, etwa von Zucker oder Salz(lösungen), unddas Einwirken von Bakterienkulturen(Milchsäuregärung) oder Rauch. Zuunterscheiden ist das kurzfristige kühle Aufbewahren leicht verderblicherLebensmittel und das langfristige Haltbarmachen. Heutzutage wird fürbeides Kältetechnik eingesetzt; für das Kühlen ist sie alternativlos, für dasHaltbarmachen werden zudem die jahrhundertelang bekannten Konservierungsverfahren herangezogen. Bevor das industrielle Konservieren unddie Tiefkühlkette vorherrschend wurden, war die Vorratshaltung bis in die1960er-Jahre ein ökonomisch wichtiger Bereich der Haushaltung. Dennfrisches Obst und Gemüse gab es ausschließlich in der warmen Jahreszeit,für die kalte musste durch Konservieren vorgesorgt werden. Und bei einerSchlachtung war das leicht verderbliche Fleisch für den späteren Verzehrhaltbar zu machen.Haltbar machenVorratswirtschaft war ohne technische Kühlsysteme nicht nur arbeitsintensiv, es bedurfte dafür entsprechender Waren, Arbeitskräfte, Räume undGeräte. Daher waren Vorräte, die sich arme städtische Schichten anlegenkonnten, bis ins 19. Jahrhundert bescheiden, während die Essgewohnheiten wohlhabender Haushalte reichhaltige Bevorratung erforderten, die vonDienstboten geleistet wurde. Mit sozialpolitischen Bestrebungen nach verbesserten Lebensbedingungen, unter anderem der Kleingartenbewegung,ging auch die Propagierung häuslicher Konservierung einher. Kochbücherund Ratgeber vermittelten neben praktischen Anleitungen das entsprechende chemische, physikalische und gesundheitliche Wissen. Wurde bis1900 mit Salz und Zucker sowie Dörr- und Räuchervorrichtungen das Auslangen gefunden, kamen in der Folge neue Physik- und Chemiekenntnissezum Einsatz. Einkochhilfen reduzierten die Kochzeit von Marmelade voneiner Stunde auf wenige Minuten, Eier wurden in Salizylsäure aufbewahrt.Schon seit 1790 war das Sterilisieren bekannt: Das Erhitzen auf 100 Gradunter Luftabschluss tötet Mikroorganismen ab und beeinträchtigt denGeschmack weniger als Einzuckern, Einsäuern, Einsalzen oder Räuchern.