101 schien. Das kleine, an den Ecken gerundete Gerät steht auf zarten Holz­beinen, wodurch es möbelartig wirkt. Die Innentür ist bereits mit schmalen Abstellflächen versehen. Bevor es den Kühlschrank gab, lagerte die Mutter die in geringen Mengen gekauften Lebensmittel von Herbst bis Frühling zwischen der doppelten Tür des Küchenbalkons. Das war im Sommer hinfällig, Verderbliches war am gleichen Tag zu konsumieren. Der Speise­plan bestand in höherem Maß als heute aus Konserven(Brotaufstrichen, Erbsen, Bohnen), Geselchtem oder Salami und getrockneten Hülsenfrüch­ten. Mit dem Kühlschrank konnte die Mutter anders einkaufen und war nicht mehr gezwungen, ständig zu überlegen, was wann zu verzehren war. Obst und Gemüse sowie gelegentlich Bier und Wein lagerten weiterhin zwischen den Balkontüren, selten wurden Getränke gekühlt. Tiefgekühltes wurde nicht gekauft, weshalb das winzige Eisfach kein Problem war. Erst im späteren, größeren Kühlschrank wurde hin und wieder Tiefkühlgemüse gelagert. Einzig das Aufbewahren von übriggebliebenen Speisen hatte aufgrund des Platzmangels Grenzen. Doch beklagte sich niemand über das geringe Fassungsvermögen, denn die Vorzüge gegenüber der kühlschrank­losen Zeit waren allen bewusst. Ebenfalls als vernachlässigbar wurde das häufig nötige Enteisen wahrgenommen, obwohl die Lebensmittel auszu ­räumen waren und es lange dauerte, bis die dicken Eisplatten abgefallen waren. Der hohe Stromverbrauch war in den 1970er-Jahren kein Thema mehr; es fehlte laut Frau K. an Energiebewusstsein. Weil der Kühlschrank ein Geschenk ihres Bruders war und als Erstgerät die Haushaltung immens erleichtert hatte, schätzte ihn die Mutter derart, dass sie nie auf die Idee kam, ihn zu entsorgen selbst dann nicht, als seine Dienste nicht länger gefragt waren. Er behielt seinen Platz in der Küche, als in den 1980er-Jahren ein ebenfalls gebrauchtes, aber moderneres Gerät Einzug hielt. Die noch beschränkten Kühlbedürfnisse und der Fokus auf das erleichter­te Frischhalten von Nahrung, die in den beiden Nutzungsgeschichten zu Tage treten, zeigen ein anderes Bild, als die Kühlschrankwerbung anbot. Hier stand schon in den 1950er-Jahren weniger die Lebensmittelsicherung als der gekühlte, üppige Genuss als Zeichen von Wohlstand im Vorder­grund. Als Inbegriff des neuen Luxus diente das Sujet des Eiswürfels. So ließ Elektrolux auf Prospekten seine Kühlschränke in Eiswürfel gegossen durch den Raum schweben. Eisgekühltes zu genießen sollte als modern, chic und weltoffen gelten. 67 Die Geräte selbst versprachen mit Licht und Farbe ein Stück dauerhafter Arktis. Anders als bei normalen Lebensmittel­schränken ließ eine kleine Lampe das Innere erstrahlen. 68 Und zum hygienischen Weiß gesellte sich das ebenfalls mit Kälte verbundene Hellblau oder Türkis.