150Diskret entsorgenIn Bezug auf Hygieneprodukte beförderten steigende hygienische Standards die Durchsetzung komfortabler Wegwerfartikel. Es wurde üblich,Taschentücher, Servietten, Monatshygieneartikel und Windeln aus Stoff,die gewaschen und wiederverwendet wurden, durch jene aus Zell- undKunststoffen auszutauschen, die nach der Benutzung entsorgt werden.Die heute selbstverständliche Verbreitung dieser Einwegprodukte dauerteallerdings Jahrzehnte, wie am Beispiel der Monatshygiene dargelegt wird.Die Anfänge von speziellen Produkten gehen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Blut etwa mit dem Stoff von Unterröcken oder Unterhemden aufzufangen, galt zunehmend als gesundheitlich und hygienischunzureichend. Empfohlen wurden an der Hüfte befestigte Gürtel oderhosenartige Kleidungsstücke, in die auswechselbare Einlagen eingesetztwurden. Die Einlagen konnten aus Watte oder auch Torfmoos bestehen.Der Unternehmer Moritz Marwede entdeckte, dass Torfmoos antiseptischeEigenschaften hat, und stellte damit ab 1888 Heilmittel sowie„Marwede‘sMoos-Binden“ für die Einmalverwendung her.114Dass die Hersteller vonMonatshygieneartikeln versuchten, diese mit medizinischer Expertise zuversehen, zeigt auch das Beispiel der Menstruationshose namens Luna(Inv.Nr. 77646/1). Es handelt sich um eine hosenartige Halterung aus Stoffmit auswechselbarer Saugeinlage, für die Sidonie Drucker ein Patent erhalten hat. Ein Werbeblatt listet eine Reihe von Attesten namentlich genannter„frauenärztlicher Autoritäten“ der Universitäten Wien, Prag und Berlinaus den Jahren 1896–1907 auf, welche die Binde geprüft und empfohlenhätten. So urteilt beispielsweise ein gewisser Prof. Dr. Gustav Braun ausWien am 1. Juni 1896:„Der Gefertigte bestätigt, daß die von FräuleinSidonie Drucker zur Beurteilung vorgelegten Muster von Menstruationsbinden in sanitärer Beziehung empfehlenswert sind.“Als Vorzüge beworben werden die Halterung aus imprägniertem unddadurch undurchlässigem Stoff, die sich flexibel an den Körper anpassenlasse, und die Saugpolster aus Watte oder Moos, die bequem entferntund ausgewechselt werden könnten. Wie weit die hier als praktisch propagierte Handhabung vom heutigen Verständnis entfernt ist, wird bereits amAnlegen der Halterung deutlich. Denn diese besteht aus vier Stoffteilen,die mit Knöpfen und Sicherheitsnadeln zu verbinden sind. Erst wird an denimprägnierten Mittelteil an einem Ende der Hinterteil und am anderen derLatz geknüpft. Nun wird mit einer Sicherheitsnadel der Hinterteil an einerSeite mit dem Vorderteil verbunden, die so zusammengesetzten Teile werden um die Taille gelegt und auf der noch offenen Seite mit einer Sicherheitsnadel geschlossen. Schließlich wird der hinten herunterhängende