38 Eierstab oderZungenband Sie gleichen einander auf den ersten Blick wie ein Ei dem anderen. Rund 50 dieser gleichförmigen Gefäße befinden sich in der Sammlung, etwa 40 Albarelli und 10 Kannen sowie eine Flasche. Einige der Albarelli tragen eine Datierung in der Glasur, mehrere Gefäße zusätzlich zur Auf­schrift Buchstabenkombinationen, offenbar Besitzerinitialen. Entstanden ist diese Objektgruppe in Oberitalien, vermutlich in Ligurien oder Venetien, im 18. Jahrhundert(Abb. 36). Allen Gefäßen gemeinsam ist die blaue Bemalung auf weißem Grund und die Frakturschrift in Manganschwarz. Das Schriftband verläuft in der Mitte der Wandung. Oberhalb und unterhalb davon täuscht der Dekor in einer ArtTrompe-lŒil-Malerei Eierstäbe im Stil getriebener Silberarbeiten vor. Diese Illusionsmalereien mit beabsichtigten Augentäuschungen waren vor allem im Barock sehr beliebt. Das Eierstabmotiv wird auch als Zungendekor oder Zungenband bezeich­net. Charakteristisch ist die Aneinanderreihung zungenförmiger, ovaler, lanzettartiger Ornamente zu Bändern. Zusätzlich finden sich schmale um­laufende blaue Linien an Fuß und Hals sowie um die Dekorpartien herum. Die Beschriftung der Kannen ist unterhalb des Henkels angebracht und definiert damit die Schauseite. Die Henkel selbst zeigen schuppenartige Muster, teilweise(Besitzer-)Symbole wie zum Beispiel eine Glocke oder ein Speichenrad oder auch Besitzerinitialen. Die Art der Bemalung und die größere Menge ähnlicher, gleichförmig scheinender Gefäße deuten darauf hin, dass wir es hier mit einem Über­gang in Richtung Manufakturware zu tun haben. Bei aller Gleichförmig­keit lassen sich jedoch bei näherem Hinschauen durchaus Unterschiede erkennen: Zartheit bzw. Grobheit der Bemalung Sorgfalt bzw. Nachlässigkeit der Ausführung einerlei oder mehrerlei Blau, verwaschenes Hellblau oder tiefes Dunkelblau kreisrunde, halbrunde oder ovale Aussparungen in den Zwickeln des Musters spiegelverkehrte Ausführungen. Es handelt sich somit doch noch eher um eine Massenproduktion von Individuen.