54BosnienDie Region Bosnien-Herzegowina gehörte Jahrhunderte lang zum Osmanischen Reich. 1878 gelangte sie durch eine Okkupation in den österreichischen Staatsverband, 30 Jahre später folgte die Annexion. Ein Drittel derBewohner waren Muslime, lediglich rund zehn Prozent konnten lesen undschreiben. Das dünn besiedelte Land war zur Hälfte mit Wald bedeckt,wirtschaftlich wenig entwickelt und für den Verkehr kaum erschlossen.Neben Holz standen Kohle, Salz und Kalk als Rohstoffe zur Verfügung.Ein weiterer„Rohstoff“, die Wasserkraft, leitete den Übergang zu modernen industriellen Verfahren ein. 1897 erwarb der Wiener Rechtsanwalt undInvestor Josef Kranz am Fluss Pliva, der bei Jajce in Zentralbosnien einenspektakulären, 20 Meter hohen Wasserfall bildet, eine Betriebskonzessionund gründete gemeinsam mit der„Elektricitäts-Actiengesellschaft vormals Schuckert& Co.“ die„Bosnische Elektricitäts-Actiengesellschaft“(„Elektrobosna“). Kranz errichtete zunächst eine Fabrik zur Erzeugungvon Kalziumkarbid aus Kalk und Kohle. Karbid bildet in Verbindung mitWasser Azetylengas, das als Leuchtmittel Verwendung fand. Azetyleneignete sich auch zum Schweißen und Schneiden von Metallen. Mit Karbidkonnte außerdem der in der Luft enthaltene Stickstoff gebunden werden.Der daraus entstehende Kalkstickstoff fand zunehmend als DüngemittelVerwendung.Josef Kranz errichtete ferner einen Betrieb zur Herstellung von Chlorkalkund Ätznatron, der später von der„Elektrobosna“ übernommen wurde.Dieses Unternehmen erwarb weitere Karbidfabriken in Töll bei Meran,Matrei am Brenner und Lechbruck in Bayern. Von Jajce gingen außerdemAnstöße zur Gründung weiterer Chemieunternehmen in Bosnien aus. Solieferte eine Fabrik in Lukavac Ammoniak- und Kristallsoda, Ätznatron undNatriumchromat sowie Kali. Die„Danica“-Aktiengesellschaft in BosnischBrod verarbeitete Erdöl aus Galizien zu verschiedenen chemischen Produkten. 1907 zählte die bosnische Industrie 51.730 Beschäftigte, davon24.300 in der Holzindustrie, 10.500 im Bergbau und 5600 in der chemischen Industrie. Im Jahr dieser Zählung unternahm der Wiener Sportjournalist Adolf Schmal mit einem Automobil eine abenteuerliche Reisedurch Bosnien, Herzegowina und Dalmatien. Seine Erlebnisse schilderte eranschließend unter dem Pseudonym„Filius“ in einem Buch.Lit.: Filius 1908/2012, Weitensfelder 2015c