98 Kunststoff Warum wurden und werden künstliche Stoffe erzeugt? Zu den Gründen zählen die Unzufriedenheit mit den Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten natürlich vorkommender Materialien, die Suche nach materiellem Gewinn durch die Erschließung von Marktnischen, Neugier und Experimentierfreude sowie der Wunsch, Utopien zu verwirklichen. Was als erster Kunststoff zu gelten hat, ist ein umstrittenes Thema. Kandidaten für diesen Titel sind in chronologischer Abfolge Leder, das Milchprotein Kasein(Rezepte zur Erzeugung künstlicher Massen sind seit dem 16. Jh. überliefert), vulkanisierter – also mit Schwefel vermischter – Kautschuk, gemeinhin als Gummi bezeichnet(um 1839, Charles Goodyear), Zelluloid aus nitrierter Zellulose und Kampfer(um 1870, John Wesley Hyatt) sowie Bakelit aus Phenol und Formaldehyd(um 1907, Leo Hendrik Baekeland). In der deutschen Sprache ist der Begriff„Kunststoff“ jungen Datums. Nicht zufällig wurde er von einem Chemiker geprägt: Ab 1911 gab Ernst Richard Escales in München ein Periodikum heraus. Es trug den Titel„Kunststoffe. Zeitschrift für Erzeugung und Verwendung veredelter oder chemisch hergestellter Stoffe“. Bereits die ersten Jahrgänge widerspiegeln, welche Materialien damals mit dem Präfix„Kunst-“ versehen bzw. als synthetisch be zeichnet wurden. Darunter fanden sich Asphalt, Gerbstoffe, Harze, Kampfer, Kautschuk, Lacke, Leder, Seide, Wachs und Waschmittel. Ferner wurde über künstliche Blumen, Federn, Pelze, Haare und Borsten berichtet. PLASTIKFLIESEN, Deutsche Linoleum-Werke AG, um 1926–1960, Inv.Nr. 80809
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Draht und Drachenblut : die Warenkunde-Sammlung des Technischen
Museums Wien / Hubert Weitensfelder
Seite
98
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