24 Träger, auf dem sich diese befindet, erscheint zunächst unauflöslich: ein Mu­sikstück auf einer Schallplatte, ein Dokumentarfilm auf einer Videokassette. Tatsächlich verhält es sich anders: Die Verbindung zwischen Aufnahme und Träger ist über größere Zeiträume hinweg und gerade im Bereich publizier­ter Aufnahmen relativ lose. Aufnahmen etwa, die zu ihrer Entstehungszeit am Beginn des 20. Jahrhunderts auf Wachswalzen vertrieben wurden, finden sich heute als Dateien(Audiofiles) in Archiven oder im Internet. Ist dieses File ein Äquivalent zur historischen Aufnahme? Ja, in dem Sinne, als es das Wesen der Schallaufzeichnung im Laufe ihrer Geschichte war, die mensch­liche Stimme, Musik oder Geräusche festzuhalten und beliebig wieder­zugeben. Das war ein entscheidender technologischer Schritt, der eine zusätzliche Dimension der Erinnerung an Vergangenheit und die dauernde Reproduzierbarkeit dieser Erinnerung ermöglicht hat. Das heißt, dass man die Aufnahme aber auch vom Träger lösen kann etwa durch Digitalisierung , ohne das Wesentliche, nämlich den Inhalt, zu verlieren. Historische Aufzeichnungen von ihrem ursprünglichen Träger zulösen und mittels neuer Technologien auf anderen Trägern aufzubewahren und wiederzugeben, bedeutet aber nicht, dass damit die historischen Bedin­gungen, unter denen die ursprüngliche Aufnahme zustande gekommen ist, außer Kraft gesetzt wären. Die zeitbedingten technischen Möglichkei­ten der Schallaufzeichnung beziehungsweise die Verbreitung bestimmter technischer Möglichkeiten hatten Einfluss auf den Inhalt und damit auf die Sammlung im Archiv. Die jeweiligen Rahmenbedingungen zur Zeit der Aufnahme werden auch ins Digitale mitgenommen und wir können sie heute hören und sehen. So ermöglichten etwa frühe Tonaufzeichnungen auf Schellackplatten, die von 1887 bis etwa Mitte der 1950er Jahre produ­ziert wurden, nur die Aufnahme eines begrenzten Klangbereichs. Das cha­rakteristische Knistern beim Abspielen mit der Nadel ist auch in digitaler Form hörbar. Dazu kommt die relativ kurze Spieldauer von drei bis vier Mi­nuten auf jeder Plattenseite. Dieses vom Träger vorgegebene Limit hatte nicht nur inhaltliche Auswirkungen auf das Repertoire, das aufgenommen wurde, es beeinflusste auch die formalen Grenzen des Repertoires selbst, etwa im Bereich der Unterhaltungsmusik, die von Beginn an stark auf die Verbreitung ihrer Erzeugnisse mittels Massenmedien setzte. Ein anderes Beispiel sind die viele Jahrzehnte später entstandenen Amateurvideos ab den 1980er Jahren. Private filmische Dokumentationen waren seit der Verbreitung von Schmalfilmkameras möglich. Diese Filme haben eine relativ kurze Spieldauer, weniger aus technischen Gründen, sondern vor allem, weil das Material teuer war und man sparsam damit