94Restitution von Kraftfahrzeugen von Juden nach 1945Nach Kriegsende stellte sich die Verkehrssituation in Österreich katastrophal dar. Unzählige Autos waren in den Kampfhandlungen zerstört oder vonden Einheiten der deutschen Wehrmacht bei Privatpersonen requiriert undals Fluchtfahrzeuge Richtung Westen benützt worden.War es schon auf Grund der damaligen Verhältnisse in den Verkehrsämternbeinahe unmöglich, Fahrzeuge wiederzufinden, die kurz vor Kriegsende verloren gegangen waren, so war es noch schwieriger, jene Fahrzeugeaufzuspüren und den rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben, die kurznach dem„Anschluss“ 1938„arisiert“ worden waren. In den Archiven sindSuchanfragen von jüdischen Emigranten dokumentiert, die in Österreich ihreentzogenen Kraftfahrzeuge suchten. So versuchten Gustav Fuchs aus NewYork und Hans Fuchs aus Tel Aviv 1948, ihre von der HJ beschlagnahmtenSteyr 50 zu finden.199Auch Paul Klein, der bis 1938 in Zwettl(Niederösterreich) gelebt hatte und nach Cleveland in den USA emigriert war, ließim Jahr 1948 nach seinem von den Nazis entzogenen Steyr 50 fahnden– ohne Erfolg.200Nur wenige konnten zumindest Teilerfolge erzielen: DieFamilie Gottesmann aus Wien besaß 1938 einen Steyr 100. Nach dem„Anschluss“ wurde das Fahrzeug von unbekannten Personen aus der Garageweggeführt. Dr. Leo Gottesmann, der in die USA emigriert war, stellte 1949einen Rückstellungsantrag für den entzogenen Kraftwagen. Tatsächlichkonnten die österreichischen Behörden das fragliche Fahrzeug aufspüren:Der Steyr 100 war 1945 als Wrack in einem Straßengraben bei Stein an derDonau in Niederösterreich gefunden worden. Das Bundesministerium fürVermögenssicherung hatte das Autowrack übernommen und an die AustriaTabakwerke verliehen, die das Fahrzeug ihrerseits dazu benutzten, um Ersatzteile für einen anderen Steyr 100 an der Hand zu haben. Die Rückstellungskommission entschied am 14. April 1950, dass die Tabakwerke„binnen14 Tagen einen Motor Steyr 100 C2803, eine Vorderfeder samt Querträger,einen Kühler, eine Lenkung, eine Kardanwelle und zwei vordere Kotflügelzurückzustellen“ hatten.201Das waren die einzigen Bestandteile, die nochdem ursprünglichen Wagen zuzuordnen waren. Ob diese in die USA übersandt worden sind, ist unbekannt. Der Fall jedoch zeigt einerseits wieder,wie wertvoll jegliche Autobestandteile in der frühen Nachkriegszeit waren,und andererseits, wie kompliziert sich Rückstellungen von Fahrzeugenmitunter gestalteten. In dieser Geschichte wird auch ein Prinzip der österreichischen Rückstellungsgesetzgebung überdeutlich sichtbar: Zurückgegebenwurde nur, was noch vorhanden war, dies entsprach oft nicht dem Wert zumZeitpunkt des Entzugs.