60 „Trotz wiederholter Versicherung, daß alle mit der allgemeinen Lage und den Kriegsereignissen zusammenhängenden authentischen Nachrichten seitens der leitenden Stellen ehestens zu allgemeiner Kenntnis gebracht werden, finden die abenteuerlichsten Gerüchte in weiten Kreisen der Bevölkerung fortgesetzt bereitwilligste, durch keinerlei vernünftige Überlegung korrigierte Aufnahme und allgemeinste Verbreitung. Diese Erscheinung ist umso bedauerlicher, als sich erfahrungsgemäß gerade alarmierende Ausstreuungen am hartnäckigsten erhalten und eine nicht genug scharf zu verurteilende unverantwortliche Irreführung der öffentlichen Meinung hervorrufen. Es bedarf daher der unausgesetzten Mithilfe der gesamten Bevölkerung, um derartige in ihrer Mitte erstandene und durch sie selbst kritiklos weitergegebene und dabei aufgebauschte Nachrichten radikal zu unterdrücken. Gerade die Öffentlichkeit aber in ihren vielfachen sozialen Verzweigungen ist in den allermeisten Fällen selbst in der Lage, die Grundlosigkeit und Unhaltbarkeit plötzlich aufgetauchter Gerüchte jeder Art in der kürzesten Zeit einwandfrei festzustellen und letzteren damit auch den Boden zu entziehen, bevor sie in die Allgemeinheit zu dringen und nach irgend einer Richtung falsche Bilder zu erzeugen vermögen. Im Zusammenhange damit wird daher betont, daß jede Nachricht über Kriegsereignisse und sonstige mit der allgemeinen Lage in Zusammenhang stehende Vorkommnisse von amtlicher Seite zur gegebenen Zeit ohne Beschönigung und Verdrehung zur Veröffentlichung gelangen wird, so daß sich das Publikum auch in dieser Hinsicht mit vollstem Vertrauen auf die Kenntnisnahme der offiziellen Nachrichten beschränken und jeder Entstellung des derart einwandfrei fixierten Tatbestandes wie auch jeder Eskomtierung möglicher Ereignisse mit größter Energie entgegentreten kann.” 29 Die folgenden Wochen zeigten, dass dies nur bedingt zutraf, dass es der Militärführung weniger darum ging, kursierende Gerüchte zu unterdrücken, als um die bittere Tatsache, dass die österreichischen Armeen teils vernichtende Niederlagen unter horrenden Verlusten erlitten hatten. Die Zensur sorgte dafür, dass davon kaum etwas an die Öffentlichkeit drang. Der Schriftsteller Stefan Zweig notierte am 7. September in seinem Tagebuch, dass die ursprüngliche Euphorie der Wiener umgeschlagen habe und„große Erbitterung über die Unwahrhaftigkeit der Zensur” herrsche, welche beharrlich verschweige, dass Czernowitz schon unter russischer Besetzung liege und stattdessen noch von siegreichen Gefechten aus jener Gegend berichten lasse: „Die Menschen oben scheinen ganz vernichtet, von ganzen blühenden Regimentern keine 50 Mann mehr, alle Officiere gefallen – es ist grauen -
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Unter dem Losungsworte Krieg und Technik : das Technische Museum
Wien und der Erste Weltkrieg ; [Sammelband] / Caroline Haas, Mirko Herzog, Christian Klösch, Helmut Lackner, Otmar Moritsch, Wolfgang Pensold, Franz Rendl, Christian Stadelmann, Hubert Weitensfelder
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