74 Nachricht über das Befinden nach Hause zu senden.[...] Dann nehmen wir alles, es war uns gleichgültig, ob der Zettel der Größe einer Feldpostkarte entsprach oder nicht, ob das Papier dünn oder dick, rot oder blau war bzw. ob es von einem Notizbuch oder vom Rande einer Zeitung herstammte. 29 Weder Hunger noch Erschöpfung waren zu groß, um nicht zumindest ein paar Worte der Nachricht auf irgendein Stück Papier zu kritzeln, das man der Feldpost mitgeben konnte. Die Episode vermittelt eindrücklich, wie groß das Bedürfnis der Soldaten war, sich den Lieben daheim mitzuteilen, soweit es das Postkartenformat, die Zensur und die persön­lichen Schreibkenntnisse zuließen und natürlich die Situation im Schützengraben. Nie zuvor wurde von so vielen Menschen so viel geschrieben. Auch für im Briefeschreiben ungeübte Menschen und für nicht-alphabetisierte Soldaten war der Krieg ein erzwunge­ner Anlass zu schreiben, sei es mit Hilfe des Schreibens mächtiger Kameraden oder indem sie sich während des Krieges selbst das Schreiben beibrachten. 30 Karten und Briefe waren die letzte Verbindung mit dem zivilen Leben, die einzige Möglichkeit, mit Verwandten und Freunden in Kontakt zu bleiben:Die Post bezeugt, dass die Familien und die Freunde sie nicht vergessen, dass die Soldaten noch ein Haus haben, wohin sie zurückkehren kön ­nen, und daß es noch anderes außer Krieg und Tod gibt. 31 Der kontinuierliche Kontakt in Form wechselseitiger Grüße und Mitteilungen wirkte sich positiv auf die Stimmungslage der Soldaten und damit auf ihren Kampfwillen und ihr Durchhaltevermögen aus und trug indirekt zu einer erfolgreichen Kriegsführung bei. Ganz im Sinne der Kriegspropaganda formulierte der Schriftsteller Stefan Zweig (1881–1942) an seinem Schreibtisch im Kriegsarchiv salbungsvoll den Zusammenhang zwischen geistiger Kommunikation und physischer Kampfbereitschaft: Der einzelne Soldat muß immer wieder erinnert werden, wofür er kämpft, muß die Heimat spüren,[] Briefe von der Heimat erinnern ihn an Frau und Kind, an Haus und Hof, für deren Glück und Wohlstand er kämpft, die Zeitungen belehren ihn über die Resultate seiner Anstrengungen, über die Fortschritte des Gemeinsamen, zu der seine eigene Tat ihr Unsichtbares, aber dennoch Wirksames täglich beifügt.[] Ganze Welten von Heimat und Ferne bringen die Briefpakete der Feldpost auf rollenden ­dern täglich hin und her. Im ungeheuren Verdauungs- und Verarbeitungsprozess des Kriegsorganismus ist sie gleichsam das sensible Nervensystem, der Reizbringer, der die Nerven und damit auch die Muskeln spannt. 32 Die Organisation des Feldpostverkehrs war demzufolge darauf abgestellt, den rund acht Millionen Soldaten der k.u.k. Armee in Karten und Briefen von daheim so viel moralische Unterstützung wie nur möglich zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck wurden alle Briefe und Karten unter 100 Gramm Gewicht ab dem fünften Mobilisie­rungstag gebührenfrei befördert.Feldpost Korrespondenzkarten(Tabori postai le-