109 Verleger stellten in großer Eile auf die Produktion von kriegsverherrlichenden und patriotisch gefärbten Liedern und sonstigen Musikstücken um. Zu Kriegszeiten produzierte Notenrollen für selbstspielende Instrumente geben Zeugnis von dem Bestreben, Unterhaltung und Ablenkung für die zu Hause Gebliebenen zu bieten. Mit dem Eintritt Amerikas in den Krieg 1917 gelangten auch amerikanische Tanzschlager nach Europa, die gleichzeitig populäre patriotische Songs waren. Die preisgünstigste Methode, Notenrollen abzuspielen, ist der Vorsetzer – eine Vorrichtung, die den pneumatischen Apparat und die Abspielvorrichtung für die Notenrolle enthält. Vor ein Klavier gestellt, überträgt das Gerät mit seinen„Fingern“ die Informationen von der Notenrolle mechanisch auf die Klaviertasten. Die häufigeren Abspielgeräte sind aber Klaviere – einfache, günstige Pianinos oder exklusive Flügel von namhaften Herstellern, die den Abspielapparat direkt eingebaut haben. Noch spektakulärer waren kombinierte Instrumente wie Klavier-Geigen-Automaten. Diese elektrisch angetriebenen Automaten und Klavierspielinstrumente waren Teil des täglichen Lebens – in finanzstärkeren Kreisen im privaten Haushalt, für die breite Masse in Gaststätten und Kinos. Wo in Friedenszeiten harmlosere Unterhaltungsmusik im Vordergrund stand, wurden nun patriotische Töne angeschlagen: Soldatenlieder und Militärmusik aus einschlägigen Liederbüchern und Notenheften wurden auch auf Notenrollen eingespielt und verkauft. Die Phonola-Notenrolle„Traum eines österreichischen Reservisten“ soll hier beispielhaft für die kriegsunterstützenden Produkte von Seiten der musikproduzierenden Industrie stehen. Dieses Stück ist ein„militärisches Tongemälde“ von Carl Michael Ziehrer. Die potpourriartige Komposition erzählt die Geschichte eines Dorfschmiedes, der nach einem arbeitsreichen Tag einschläft und im Traum seine Soldatenzeit mit all ihrem Glanz und Manöverzauber erlebt. Das musikalische Geschehen wird mit Wasserrauschen, Vogelgezwitscher, Schmiedegehämmer, Glockengeläute, Signalen, Kommandos und Schlachtenlärm untermalt. Die Erstaufführung dieses Tongemäldes fand am Silvesterabend 1890 mit den Deutschmeistern unter Ziehrer als Kapellmeister statt. Die Bearbeitung für Klavier wurde 1911 von der Leipziger Firma Hupfeld auf Phonola Notenrolle produziert. Ende 1914 brachte das Unternehmen„Hupfelds Original Tongemälde Weltkrieg 1914“ auf den Markt. 24 patriotische Melodien wurden in ein lautmalerisches Klavierarrangement gesetzt.
Dokument
Unter dem Losungsworte Krieg und Technik : das Technische Museum
Wien und der Erste Weltkrieg ; [Sammelband] / Caroline Haas, Mirko Herzog, Christian Klösch, Helmut Lackner, Otmar Moritsch, Wolfgang Pensold, Franz Rendl, Christian Stadelmann, Hubert Weitensfelder
Seite
109
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