DOI 10.60531/INSIGHTOUT.2024.2.14| QUIRINA, HOLFELD: HIDDEN IN STRUCTURE_ INSIGHTOUT 2(2024) 101ren übersehen oder missachtet werden, mag zumeinen daran liegen, dass ihnen der Ruf nachhängt,‚boring things‘ zu sein, also anästhetische, unsoziale,rein technische Artefakte, die noch dazu von grauerBürokratie ummantelt sind. Und zum anderen daran, dass sie immer dann am besten zu funktionierenscheinen, wenn sich ihre Apparatur möglichst diskretim Hintergrund hält.”2Daneben betonen Susan LeighStar und Karen Ruhleeder, dass Infrastrukturen normalerweise erst sichtbar und aktiv wahrgenommenwerden, wenn sie zusammenbrechen.Infrastrukturen, ihre Funktionen und Bedeutungen sind im Allgemeinen mit einemsozialen Kontext verbunden, das heißt, siesind in Praxisgemeinschaften eingebettetund sind erlernbare Komplexe. Sie verkörpern Konventionen und sind an Standardsgebunden.3Mit dieser theoretischen Grundlage fragen wir uns:„Wie schaffen wir es, mit kunstvermittlerischen Werkzeugen auf diese Aspekte innerhalb eines Museumsaufmerksam zu machen?“ Da der Körper Personendurch die Museumslandschaft und Museumsinfrastruktur trägt, ist es für uns naheliegend, mit dem Körper als Medium zu arbeiten. Doch bevor der Körperzu einem Medium werden kann, ist es uns ein Anliegen, auf die Sozialisierung von Körpern aufmerksamzu machen. Warum laufen wir in einem bestimmtenTempo durch eine Ausstellung, welche körperlichenErfahrungen bringen Workshopteilnehmer*innenmit, wie verhält sich der Körper in einer Ausstellung?All diese Fragen brachten uns dazu, die folgendenperformativen Übungen in unserem Workshop-Setting zu erarbeiten. Dabei reflektierten wir, welchenEinfluss Infrastrukturen auf unser soziales Verhaltenhaben. Sie beeinflussen unsere Bewegungen, Aufnahmefähigkeit, emotionale Stimmung sowie unsere Konzentration. Als pädagogische Grundlage giltdabei der Leitfaden nach Bell Hooks: Gelerntes verlernen, um Lernen zu lernen.4Mit dieser Herangehensweise treffen wir eine Vereinbarung mit den Teilnehmer*innen, dass jegliches Bedürfnis, das im Raumist, kommuniziert werden kann. Somit entsteht eineBasis, die es erlaubt, sozialisierte Bewegungsabläufeaus einer anderen Perspektive kennenzulernen.Kollektives Gehen:In dieser Übung bewegt sich eine Person intuitivdurch den Raum und nutzt die Infrastrukturen – dieandere Person folgt. Dadurch wird der Fokus aufdie baulichen und funktionalen Strukturen gelegt,die im Alltag, wenn sie keine Barrieren darstellen,nicht aktiv wahrgenommen und reflektiert werden.Diese Übung erlaubt den Teilnehmenden des Workshops eine emotionale Sensibilisierung für dieRäumlichkeiten zu kreieren. Als sozial-räumlicheOrdnungsdienste sind Infrastrukturen eng mit derReproduktion von Gesellschaft verbunden. In ihnenverschränken sich technische und soziale Normen.Durch die Übernahme von sozialen Normen in technisch-reproduzierbare Abläufe werden diese externalisiert und somit als gegeben angenommen undnicht hinterfragt. Denn Infrastrukturen befinden sichim Schnittfeld zwischen Ermöglichung und Verhinderung. Dieses Feld muss aktiv erkannt, kontextualisiertund hinterfragt werden.5Da Standards in engem Zusammenhang zuInfrastrukturen stehen, sind sie relational inihrer Wirkung und haben somit unterschiedliche Effekte auf Menschen und soziale2Ebd.3S. Leigh Star, K. Ruhleder:„Schritte zu einer Ökologie von Infrastruktur“, in: Sebastian Gießmann, Nadine Taha(Hg.):Grenzobjekteund Medienforschung. Bielefeld 2017, S. 359–402, hier S. 362 f.4B. Kazeem-Kamiński:Engaged Pedagogy: Antidiskriminatorisches Lehren und Lernen bei bell hooks, Wien 2016, S. 6–7.5S. Sellami:„Die Produktion von Unsichtbarkeit: Infrastrukturen als Herausforderung für die Soziologie“, in:Soziopolis: Gesellschaftbeobachten(2020), https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-80749-9.