66 Die Entwicklung und Verbreitung von Herd, Kühlschrank und Waschmaschine war ein langer Prozess. Zum einen waren die technischen Herausforderungen der Geräteentwicklung zu lösen und zum anderen der Anschluss sämtlicher Haushalte an das Wasser-, Gas- und/oder Stromnetz zu bewerkstelligen. Der Netzausbau dauerte Jahrzehnte und erfolgte in Stadt und Land ungleich. 24 Bei der Elektrifizierung der Haus halte stand zunächst die Beleuchtung im Vordergrund. Diese Leitungen mit geringer Spannung erlaubten bloß die Inbetriebnahme von Kleingeräten. Wärmegeräte mit höheren Anschlusswerten und leistungsstarke Elektromotoren benötigten jedoch einen Kraftstromanschluss, der nur langsam die sogenannten Lichtleitungen ersetzte. Zudem war es anfangs unentschieden, ob Elektrogeräte mit Dreh-, Gleich- oder Wechselstrom und mit welchen Stromspannungen betrieben werden sollten; die endgültige Vereinheitlichung des Stromnetzes erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben mangelnden haustechnischen Anschlüssen standen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hohe Anschaffungs- und Energiepreise der massenhaften Einführung entgegen. De facto noch sehr teuer, versuchten die Gerätehersteller und Energieversorgungs-Unternehmen schon bald, die Geräte ihres Luxuscharakters zu entkleiden, sie als unaufhaltsame, kraft- und zeitschonende Neuerung für alle zu bewerben, auf diese Weise Bedürfnisse zu wecken und die Akzeptanz für die neue Technik vorzubereiten. Der Entwicklung und Durchsetzung lag ein erhebliches wirtschaftliches Interesse zugrunde; Großgeräte garantierten einen hohen Verbrauch an Strom oder Gas. Es bedurfte der sinkenden Energiepreise, der verbilligten Massenproduktion und steigenden Kaufkraft ab den 1950er-Jahren, damit sich jeder Haushalt die Geräte leisten konnte. In dem Maß, wie die Ausstattung mit Gas- und Elektrogeräten zum Standard wurde, änderte sich der Umgang mit Energie vom Gebot der Sparsamkeit hin zum unbedachten Konsum. 25 Herd, Kühlschrank und Waschmaschine wurden von Beginn an als Gasund Elektrogeräte angeboten. Das ist dem Bedarf an Wärmeenergie geschuldet, die Gas und Strom gleichermaßen bereitstellen können – anders als beim Kraftantrieb, wo Elektromotoren gegenüber Gas konkurrenzlos blieben. Eine mit Gas beheizte Waschmaschine wurde elektrisch in Bewegung gesetzt. Wenngleich Gas- und Elektrogeräte mit ähnlichen Argumenten – mühelos, bequem, modern, gesundheits- und hygienefördernd, sparsam – beworben wurden, erfolgte dies ab 1930 zunehmend in scharfer Konkurrenz zueinander. Publikationen priesen die jeweilige Energieform an, wobei in den Darlegungen ein hohes Maß an populärwissenschaftlicher Rhetorik beansprucht wurde. 26 Dass dieser Wettkampf zugunsten
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geliebt - gelobt - unerwünscht : Haushaltstechnik zwischen Wunsch
und Wirklichkeit / Roswitha Muttenthaler
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