76 alle Kochstellen vereinigt sind, und auf welchem in gewohnter Weise gekocht werden kann, der Praxis voll genügen. Diesen Anforderungen wird durch meine Herde in allen Teilen Genüge geleistet; sowohl deren äusseres Aussehen als ihre Einteilung entspricht ganz den bekannten Herden“. 38 Schindler sah bereits, dass elektrifiziertes Geschirr neue Optionen bot und dem Herd seine Alleinstellung nahm, ihn aber nicht praktikabel ersetzen konnte. Der Zeit verhaftet bleibt Schindler, indem er die geläufige Herd form – Kochplatte oben und Backrohr darunter – stärker antizipiert, obwohl er auch Backrohre auf Höhe der Kochplatten produzierte, eine Form, die heute als bequeme Lösung in Einbauküchen weit verbreitet ist. Eine Ansammlung von elektrifiziertem Geschirr wird dagegen in einem Prospekt der Österreichischen Siemens-Schuckert-Werke 1912 als„kompletter Kochtisch“ und„vollkommener Ersatz für den Küchenherd“ vorgestellt. Die Geräte stehen in offenen Regalen bereit. Mehrere können auf einer Arbeitsplatte, die mit einer Reihe von Anschlussleitungen ausgestattet ist, gleichzeitig in Betrieb genommen werden; das Backrohr befindet sich unter der Platte. Gleichwohl sind auch Kochplatten und Backofen, die auf Tischen neben- oder untereinander kombiniert sind, als„komplette kleine Haushaltungsherde“ im Programm. 39 Auch wenn die Geräte marktreif waren, dauerte es noch Jahre, bis Mängel wie das Durchbrennen der Heizelemente gänzlich behoben waren, leistungsstarke sowie gut regelbare Heizelemente zur Verfügung standen und Wärme optimal an die zu erhitzenden Materialien übertragen wurde. So beschwerte sich der Schriftsteller Victor Klemperer 1935:„Die elektrischen Kochapparate, für die man soviel wirbt und auf die wir hereinfielen, sind Volksbetrug: zu teuer und zu langsam im Kleinbetrieb.“ 40 Er tauschte die Elektro- wieder durch Gasgeräte aus. Während elektrische Töpfe und Pfannen mit der Ausformung und Durchsetzung des Herdes verschwanden, verblieben spezialisierte Geräte zum Bereiten bestimmter Speisen und Getränke. Direkt beheizte Geräte erlaubten auch den küchenunabhängigen Einsatz, etwa bei Tisch; entsprechendes Design machte Toaster, Kaffee- und Teemaschinen, Wasserkocher oder Waffeleisen tischfein. In den Spezialgeräten spiegelten sich auch wandelnde Essgewohnheiten: Griller wurden in den 1950er-Jahren populär, Fritteusen zeugten von der wachsenden Beliebtheit von Pommes frites seit den 1970er-Jahren, Fonduetöpfe oder Woks waren Ausdruck des Trends nach schneller, geselliger und internationaler Küche; und mit dem Ruf nach gesunder Ernährung kamen Dampfgarer auf den Markt. Kochplatte und Backrohr waren – wie beim Gas – gleichermaßen Einzelgeräte und modulare Teile, die zu einem Herd zusammengefügt wurden. In
Dokument
geliebt - gelobt - unerwünscht : Haushaltstechnik zwischen Wunsch
und Wirklichkeit / Roswitha Muttenthaler
Seite
76
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten