91 einer(Tisch-)Platte befestigt und dient zum Anbringen des Deckels an der Dose(Inv.Nr. 72117/1): Die gefüllte Konservendose wird auf den unteren, drehbaren Aufsatzteller gestellt, ein Deckel aufgelegt und beides mit einer Schraubenspindel in den Verschlusskopf gepresst. Wird die Dose mittels Kurbelrad gedreht, biegen die Verschlussrollen den Falzrand um – die Dose ist luftdicht verschlossen. Da die Dose beim Öffnen aufgeschnitten wird, muss für eine Wiederverwendung der Dosenrand glatt geschnitten werden; in der Fachsprache wird dies„Bördeln“ genannt. Eigenproduktion und Lagerhaltung in den Haushalten blieb bis in die 1960er-Jahre weit verbreitet – insbesondere in der Landwirtschaft, falls ein Nutzgarten vorhanden war, bei knappen Einkünften und verstärkt in Notsituationen. Auch als Industriekonserven, die bis in die 1920er-Jahre Luxusprodukte waren, allmählich billiger wurden, bestand die Idee des sparsamen Wirtschaftens fort. Dies betraf nicht nur den Kostenfaktor, dass Selbstgemachtes bei unbezahlter Hausarbeit billiger kam. Für genauso wichtig erachtet wurde das Bestreben, das im Sommer überreich vorhandene Obst und Gemüse umfassend zu verwerten, nichts verkommen zu lassen. Diese Haltung war ab 1900 aus sozial-, gesundheits- und wirtschaftspolitischen Interessen massiv befördert worden. Vitamine und Mineralstoffe waren als wesentliche Bestandteile einer gesunden Ernährung erkannt worden. In einer Zeit, in der frisches Obst und Gemüse noch nicht saisonübergreifend angeboten wurde, sollte der Mangel an vitaminreicher Kost im Winter durch Konserven kompensiert werden können. Unzählige Bücher machten mit den Konservierungsverfahren und zeitgemäßen Vorstellungen von gesunder Ernährung vertraut. Viele von ihnen sind Zeugnisse staatlicher Interessen, eine gesunde Ernährung zu sichern, insbesondere in Notzeiten oder als kriegswirtschaftliche Maßnahme. So hieß es nach dem Ersten Weltkrieg:„Gerade in der heutigen Zeit, in der es dringend not tut, die unserem geliebten Vaterland geschlagenen Wunden rasch zu lindern, sollen wir darauf Bedacht nehmen, die jeweils anfallenden Nahrungsmittel richtig einzuteilen, um auch im Winter über eine vitaminreiche Kost zu verfügen.“ 51 Und der NS-Staat propagierte die häusliche Konservierung als Mittel der auf Krieg ausgerichteten Autarkiebestrebungen. Sie„gestattet auch dem kleineren Geldbeutel ein abwechslungsreiches und vollwertiges Essen. In erster Linie aber hilft die häusliche Vorratswirtschaft, uns von der Einfuhr von Lebensmittel aus dem Ausland unabhängig zu machen: große Mengen sonst verderbender Nahrungsmittel können nur durch die Konservierung im Haushalt unserer Volkswirtschaft erhalten werden!“ 52 Die Frau sollte also bestrebt sein, die Familie umsichtig zu versorgen, und darüber hinaus einem ideologisierten, sogenannten„Volkswohl“ verpflichtet werden.
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geliebt - gelobt - unerwünscht : Haushaltstechnik zwischen Wunsch
und Wirklichkeit / Roswitha Muttenthaler
Seite
91
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