98 dete Menschen, die ein überraschtes Ehepaar unangemeldet besuchen: Eigentlich kommen wir nur Ihren neuen Santo Kühlschrank anzusehen, von dem alle so begeistert sind. 64 Zu den anfänglich in der Welt des gehobe­nen Lebensstandards angesiedelten Sujets zählen luxuriöse Gesellschaften mit Champagner und Abendkleidung, mondäne Frauen und Dienstmäd­chen, die sich um Speisen kümmern. Mit dem NS-Regime änderte sich in Deutschland die Strategie. Die Figur der Hausfrau trat auf, um breitere Käuferschichten mit Argumenten wie Gesundheit, Frische, Ersparnis von Zeit und Geld zum Kauf der angebotenen kleineren und preiswerteren Geräte zu animieren. Neben derartigen Verheißungen wurde dem Kühlen eine politische,(volks-)wirtschaftliche und nationale Bedeutung zugesprochen. Als Teil der Autarkiebestrebungen und Vorbereitung auf Kriegszeiten stand die Bewerbung des Kühlens ab 1936 im Dienst der KampagneKampf dem Verderb! Das Vokabular war sprachlich an christliche Gebote angelehnt Bewahre Deine Vorräte täglich vor ihren Erzfeinden: Schmutz, Hitze, Frost und Feuchtigkeit und zeugt von einer militaristischen Wortwahl:Siche­rung der deutschen Nahrungsfreiheit,Feldzug,Totalverluste. 65 Als Mittel gegen den Verderb geriet der Kühlschrank zwar in den Kontext des Sparens, doch stellte die Werbung ebenso den Massenwohlstand in Aus­sicht, indem mehr Leckereien als alltägliche Lebensmittel zu sehen gegeben wurden. Real blieb der Kühlschrank für den durchschnittlichen Haushalt bis in die 1950er-Jahre unerschwinglich. Wertgeschätzte Kälte Als teure Anschaffung wurden Kühlschränke in der Regel lange genutzt, wechselten dabei auch Besitzer und Besitzerinnen. Den 1935–1938 herge­stellten Kühlschrank Frigidaire von General Motors kaufte Herr S. in den 1950er-Jahren gebraucht im Dorotheum(Inv.Nr. 36495/1). Er vermutete, dass dieser von einem US-Besatzungssoldaten mitgebracht worden war. 1975 kam der Kühlschrank bei der Übersiedlung in eine neue Wohnung in den Keller. Da ein Bedarf nach einem Gefriergerät bestand, baute Herr S. 1977/1978 den Kühlschrank um, verstärkte die Isolierung, baute Plastik­wannen als Behälter ein und manipulierte die Stellschraube des Thermo­stats, sodass ein Tiefkühlbetrieb gewährleistet war. Auf diese Weise diente das Gerät noch weitere Jahre, bis 1995 die Leistung abfiel und Herr S. ein neues Gefriergerät anschaffte. Zwar kamen nach 1945 allmählich leistbare Kühlschränke auf den Markt, doch dauerte es noch zwei Jahrzehnte, bis sie zur Grundausstattung eines Haushalts gehörten. Bis dahin galten sie neben Autos und Fernsehern als wichtiges Symbol desWirtschaftswunders und materiellen Wohlstands.