105bricht, versprödet, sich verfärbt und Gerüche annimmt als Emaille oderGlas. Begrenzte Haltbarkeit war indessen nicht allein der Grund, dassGeräte ausgemustert wurden. In dem Maß, wie die Gerätepreise sankenund eine Wegwerfmentalität geschaffen werden konnte, wurden auch gutfunktionierende Geräte entsorgt. Und angesichts der niedrigen Stromkosten und dem steigenden Wohlstand wurde ab 1960 Energiesparenzunehmend als irrelevant betrachtet. Ohne Zutun jederzeit über Kälteverfügen zu können, hatte einen neuen, unbedachten Umgang mit Kühlenergie zur Folge. Die Geräte wurden Teil der warmen Küche, im Gegenzug verschwanden kühle Vorratsräume. Das Fassungsvermögen derGeräte stieg nicht nur, weil mehr leicht Verderbliches konsumiert wurde,sondern in wachsendem Ausmaß musste im Kühlschrank auch gelagertwerden, was lediglich eines kühlen Raumes bedurft hätte. Eine gewisseReaktivierung der Speisekammer wurde in einem in den 1990er-Jahrenentwickelten Kühlschranksystem angestrebt, das eine Mischung ausVorrats- und Kühlschrank darstellte. Das sich um 1975 allmählich etablierende Energiebewusstsein führte in den nächsten Jahrzehnten zu einemreduzierten Energiebedarf pro Gerät, doch der bequem zugängliche Ortin der Küche war genauso wenig mehr wegzudenken wie die sich ständigausweitende Kühlkette.Die durchgehende Kühlkette von der weltweiten Landwirtschaft bzw.Lebensmittelindustrie über den Handel zu den Endgliedern im Haushaltgilt als Symbol für die Industrialisierung und Globalisierung der Ernährung. Jahraus und jahrein ist frisches Obst und Gemüse erhältlich. Unddas Sortiment an leicht verderblichen Lebensmitteln erweiterte sichimmens. Zur Wahl stehen heute eine überbordende Vielfalt an Milch- undFleischprodukten sowie an kalten Speisen und Getränken. Parallel dazuerlaubte das wachsende Fassungsvermögen der Haushaltsgeräte, mehrkühlungsbedürftige Nahrungsmittel anstatt gut haltbarer auf Vorrat zukaufen. Die Veränderungen der Esskultur lassen sich auch am Wandel desInnenlebens von Kühlschränken ablesen.„Aus dem einfachen Emaillegehäuse mit wenigen Rosten und karger Ablagefläche wurden sogenannteGroßraum-Kühlschränke mit Butterfächern, weitläufigen Gemüse- undObstschalen, voluminösen Flaschenablagen und Platz für Sahne, Ketchup,Mayonnaise oder Joghurt in der sich containerartig als Lagerraum aufblähenden Tür.“72Eine weitere Option, um Kühlbedürfnisse zu steigern, bestand in derAnschaffung von Tiefkühlgeräten. Doch obwohl Tiefkühlkost ab 1970 untermassivem Werbeeinsatz als fortschrittlich,„Freiheit aus der Truhe“ und als„erntefrisch, schlachtfrisch, naturfrisch“ propagiert wurde, setzte sie sichnur zögerlich durch.73