107hygienischen Erziehungskampagnen zwar Männer und Frauen in diePflicht genommen, Frauen wurden jedoch für die Umsetzung verantwortlich gemacht; ihnen wurde die Rolle der Vermittlerinnen und Trägerinnender neuen Tugenden zugedacht. Wissenschaftliches Wissen über Schmutz,Krankheitserreger und Vorgänge beim Waschen wurden etwa in derRatgeberliteratur verbreitet. Waschhygiene war dabei bloß ein Teil einesBündels an Regeln, neben Wohnungseinrichtung und-pflege, Körperpflege, Ernährungslehre und Nahrungszubereitung, Kindererziehung undKrankenpflege. Erhöhte Hygienenormen bedeuteten aber auch zusätzlicheBelastungen für jene, die sie umsetzen sollten, also für die Frauen, insbesondere aus ärmeren Schichten, die mit Wassermangel und schwierigenWaschbedingungen konfrontiert waren, keine Hilfen zahlen konnten sowiebereits durch Arbeit und Hausarbeit überlastet waren.75Viele ArbeitsschritteWaschen bedeutet, schmutzige Wäsche im Reinigungsmedium Wasserunter Zuhilfenahme der vier Reinigungsfaktoren Mechanik, Chemie, Temperatur und Zeit zu reinigen. Die Wascharbeit leisteten je nach finanziellenVerhältnissen und Haushaltsausstattung die Hausfrau, allenfalls unterstütztvon weiblichen Familienangehörigen, oder das Gesinde bzw. die Dienstboten sowie ins Haus kommende Zugehfrauen mit und ohne Beteiligungder Hausfrau. In geringem Ausmaß wurde die Wäsche gewerbemäßig arbeitenden Wäscherinnen und Plätterinnen oder Wäschereien übergeben.Bevor Wasser aus der Leitung bezogen werden konnte, trugen die Frauen,denen das Waschen oblag, Wäsche, Gefäße und Hilfsmittel zu einer Wasserstelle, etwa einem Fluss, oder sie schleppten Wasser zum Waschplatzbzw. sammelten Regenwasser. Sie erhitzten das Wasser je nach Möglichkeiten im Waschhaus oder am Küchenherd und trugen es zum Waschplatzoder machten in der Nähe des Waschplatzes ein Feuer. Vom Zugang zuWasser und Feuerung hing der Aufwand ab, kaltes und heißes Wasser zubeschaffen. In den wachsenden Städten und infolge der Industrialisierungwurde die Verfügbarkeit von sauberem Wasser zunehmend zum Problem,das erst mit dem Ausbau eines Wasserleitungsnetzes eine Lösung erfuhr.Die reinigende Wirkung von Wasser bedurfte der Unterstützung durchSeifen bzw. Waschmittel und Geräte. Bis ins 19. Jahrhundert wurden Seifenim Haushalt produziert und gleichermaßen als Reinigungsmittel für Körperpflege, Wäsche- und Haushaltsreinigung verwendet. Die Seifenerzeu gung war aufwändig. Erst war aus Asche, Kalk und Wasser eine Aschenlauge zu gewinnen und diese mit Fett stundenlang zu kochen. Ab 1850ersetzte Soda die Asche als Ausgangsstoff für die Seifenbereitung. Und