168Selbst wenn das wirtschaftliche Interesse bedacht wird, den Absatz zu erhöhen, braucht es nicht Männer- und Damenrasierer. Es genügt, die Einzelnutzung zu propagieren – also jeder und jede sollte über einen eigenenRasierer verfügen statt ihn gemeinsam zu verwenden. Dies könnte unter anderem mit hygienischen Argumenten begründet werden. Interessanterweisebemühte aber die Werbung Hygienezwecke lediglich, um die Durchsetzungder Selbstrasur ab 1900 auf Kosten des Barbierbesuchs zu befördern.Wenn die Unterscheidung von Männer- und Frauenrasierern nicht technologisch oder wirtschaftlich zu erklären ist, bleiben gesellschaftlich bedingteZuweisungen. Ein wesentlicher Grund liegt wohl darin, dass der Bart einezentrale Rolle als Symbol für Männlichkeit erlangen konnte und weiblicheBehaarung tabuisiert wurde. Dementsprechend bedurfte die Bartpflegeund Rasur einer gewissen Zelebrierung, die sich auch in Geräten manifestieren und dabei Geschlechter-Stereotypen signalisieren sollte. Das Rasieren des Bartes konnte durchaus sichtbar ausgeführt werden, im Gegensatzzur weiblichen Haarentfernung, die diskret zu erfolgen hatte. Entgegenden gesellschaftlichen Diskursen, welche die bipolare Geschlechterkonstruktion ab den 1970er-Jahren zunehmend hinterfragten, gingen dieHersteller von Rasierern durch die verstärkte gegenderte Gestaltung denentgegengesetzten Weg.Damit bleibt die Frage, wie sehr sich die reale Nutzung der Zugedachten anpasst, also Frauen nur Damenrasierer, Männer nur Herrenrasiererverwenden. Frauen nutzten häufig Apparate der männlichen Umgebungmit oder kauften Männerrasierer, auch als es bereits erste Damenmodellegab. Auch heute steht es ihnen stärker offen, zwischen den Produkten zuspringen, während Männer in der Regel keinen pinkfarbenen Ladyshaveverwenden. Der Grund ist in einer Geschlechterordnung zu suchen, in derdie weibliche Codierung von Dingen zu ihrer Abwertung, die männlichezur Aufwertung führt, sodass„ undoing gender für Frauen attraktiver ist,weil sich ihr Handlungsradius damit in der Regel erweitert, während für‚weiblicher‘ auftretende Männer meist der umgekehrte Fall gilt.“131Ideal haarloser HautHaarentfernung durch Frauen hat eine lange Geschichte, fand aber eherim Verborgenen statt, wodurch es im Gegensatz zur Bartrasur kaum Informationen gibt. Überliefert ist der Einsatz von Haarentfernungsmitteln,Rasiermessern und Pinzetten seit der Antike, allerdings immer nur in wenigen sozialen, kulturellen oder religiösen Gruppen. So sind auf Gemälden