117 Die„Phantasievollen“ Wie wirkt„Ung Pinz“? Wogegen hilft„Turbit“? Wann sollte man zu„Ol. Cisel.“ greifen? Wer von diesen Arzneien Hilfe gegen seine Leiden erwartet, wird enttäuscht werden, entspringen die klingenden Namen doch offensichtlich der reinen Phantasie des Gefäßmalers und sind in keinem Arzneimittel-Index zu finden. Da begegnen uns„Lil sil.“,„Rigut“,„Ol. Lise“, „Rusru. Mieh.“,„Manthr. Sir.“,„Asensil“ und weitere Ungereimtheiten. Ein ganzes Konvolut solcher dekorativer Gefäße – 12 Flaschen, 15 Kannen und 17 Albarelli – fanden Eingang in die Sammlung(Abb. 171). Fast keine der Beschriftungen ist eindeutig zuordenbar. Der unbekümmerte Umgang mit den Aufschriften zeigt sich nicht nur in den Phantasienamen, sondern auch an der Art der Zuweisung zu bestimmten Gefäßtypen, eine Zuweisung, die völlig an der Praxis vorbeigeht. So werden Öle in Albarelli oder Konfekte in enghalsige Flaschen verbannt. Durch das blaue, stilisierte N(Nove) auf der Unterseite der Standfüße lassen sich alle Gefäße regional zuordnen. Das ganze Konvolut wurde in Trient erworben. Fast kitschig in ihrer Buntheit, stechen diese PseudoApothekengefäße sofort aus dem Gros der seriösen Gefäße heraus. Vermutlich handelt es sich um Produkte des 19. Jahrhunderts im Stil des 18. Jahrhunderts. Dafür sprechen die fast zu perfekte Oberfläche, die fast schrille Farbigkeit und die Phantasie-Beschriftungen. Die Bemalung erfolgte auf weißer Glasur in den Farben Blau, Manganschwarz, Gelb, Rot, Grün. Auf der Gefäßmitte finden sich jeweils ein blau schattiertes umlaufendes Beschriftungsband, eine Beschriftung in gotischen Lettern, ober- und unterhalb des Bandes je eine Dreiergruppe verschiedenfarbiger Chrysanthemenblüten mit roter Mitte und gelbem Körbchen sowie umlaufende Bänder in Blau an Fuß, Ablauf, um das Beschriftungsband und an Deckel und Henkel. Die Knäufe der Deckel sind aus naturalistisch geformten Früchten und Blättern gebildet. Neben dieser Gruppe befinden sich noch einige„phantasievolle“ Einzelstücke in der Sammlung. Ein anderer Gefäßtyp(Abb. 172) aus Nove ist mit unterschiedlichen Aufschriften dreimal vertreten. Der Gefäßkörper ist in diesem Fall zwar zylindrisch, doch die umlaufenden blauen Bänder und die ausmodellierten Früchte zeigen auch hier Anklänge an die Gruppe. Ob es sich überhaupt um ein Apothekengefäß im klassischen Sinne handelt, ist fraglich, da auch in diesem Fall die Beschriftung wenig Sinn ergibt. Noch mehr trifft diese Vermutung auf die Kanne der Abb.173 zu. Ihr Produkti-
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Von Bibergeil bis Theriak : Apothekengefäße aus den Sammlungen des
Technischen Museums Wien / Mechthild Dubbi
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