31 Der bekannteste Vertreter und Erneuerer der Warenkunde in Österreich war Julius Wiesner(1838–1916). Er stammte aus der mährischen Ort­schaft Tschechen, absolvierte die Oberrealschule in Brünn und studierte anschließend Botanik in Wien. Bereits 1861 wurde Wiesner Privatdozent am Polytechnischen Institut und erhielt dort 1866 eine honorierte Do­zentur. Im Jahr darauf entsandte ihn die Regierung zur Weltausstellung nach Paris, wo er als Berichterstatter über technisch verwertete pflanzli ­che Rohstoffe Auskunft gab. Das ermöglichte ihm einen internationalen Überblick über diese Materie. 1868 wurde Wiesner am Polytechnischen Institut zum außerordentlichen Professor für Technische Warenkunde, Mikroskopie und Pflanzenphysiologie ernannt. Nach dem Ende der österreichischen Expedition nach Siam, China und Japan(1868–1871) bekam er eine weitere Gelegenheit zur Erweiterung seiner Fachkennt­nisse, indem er die von den Teilnehmern gesammelten technischen Pflanzenstoffe des indischen Subkontinents bearbeitete. 1873 erhielt Wiesner schließlich die ersehnte ordentliche Professur für Anatomie und Physiologie der Pflanzen an der Universität Wien. In dieses Jahr fällt die Veröffentlichung seines berühmtesten WerksDie Rohstoffe des Pflan ­zenreiches. In seiner Einleitung zu dieser Publikation kritisierte Wiesner zunächst, dass sich die Warenkunde seit Beckmann über mehrere Generationen kaum weiterentwickelt habe und dass viele Autoren überwiegend von ihren Vor­gängern abschrieben, ohne neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Eine techno­logische Rohstofflehre, wie er sie anstrebte, sollte sich aber nicht auf die Beschreibung der im Handel gängigen Materialien beschränken, sondern das Ganze ins Auge fassen. Daher sei eine Spezialisierung und fortschrei­tende Arbeitsteilung vonnöten. So sollten die Pflanzenstoffe von gelernten Botanikern, die tierischen Substanzen aber von Zoologen bearbeitet wer­den. Die getroffenen Aussagen seien mit Belegen aus der Fachliteratur zu versehen. Als wesentlichstes Instrument der Erforschung der Pflanzenmor ­phologie sah Wiesner das Mikroskop. Als beispielgebendes Fach nannte er, wie bereits Beckmann, die Pharmakognosie: Die medizinisch genutzten Pflanzen waren bereits genauer erkundet worden, und zwar vorwiegend von naturwissenschaftlich ausgebildeten Ärzten. Weitere Verdienste sprach Wiesner den Chemikern sowie gelehrten Land- und Forstwirten zu. Er selbst gliederte seine Darstellung in 20 Kapitel: Gummiarten, Harze, die Kautschukgruppe, Opium, Aloe, die Catechugruppe, Pflanzenfette, vege ­tabilisches Wachs, Kampfer, Stärke, Fasern, Rinden, Holz, unterirdische Pflanzenteile, Blätter und Kräuter, Blüten und Blütenteile, Samen, Früchte, Gallen sowie Lagerpflanzen(Algen, Flechten und Pilze).