58 der deutschen Motorenindustrie“ erschien, regte sich Widerstand. Darin wurde auf die Leistung des„aus Mecklenburg stammenden deutschen Marcus“ hingewiesen, der„das erste Auto und damit die Anfänge einer riesigen Weltindustrie geschaffen“ hätte. 107 Der Konzernvorstand von Daimler-Benz wollte diese Behauptung nicht akzeptieren und wandte sich in einem von den Vorständen Wilhelm Kissel und Jakob Werlin unterzeichneten Brief an den„Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Dritten Reich“ Josef Bürckel, um ihn auf„zwei schwerwiegende historische Unrichtigkeiten“ hinzuweisen: „Erstens trifft es keineswegs zu, dass Marcus ‚die Anfänge einer riesigen Weltindustrie’ geschaffen hätte“, und:„Zweitens: Siegfried Marcus war kein Deutscher[…], sondern Jude.“ Um letzteres zu beweisen, ließ Daimler-Benz in Marcus’ Geburtsstadt Malchin in Mecklenburg„eingehende Nachforschungen anstellen“. Der Daimler-Benz-Vorstand forderte Bürckel auf,„den ‚Marcus-Wagen‘ aus dem Wiener Gewerbe-Museum entfernen zu lassen“, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seitens des Reichspropagandaministeriums„bereits die Anweisung an die gesamte deutsche Tages- und Fachpresse ergangen[sei], den Namen Marcus nicht mehr zu erwähnen“. 108 In einem weiteren Schreiben teilte Daimler-Benz dem Reichsstatthalter mit, dass man bereit sei, als Ersatz für den Marcus-Wagen„den ersten Benz-Wagen aus dem Jahr 1885 geschenkweise zur Verfügung zu stellen“. 109 Der im Sommer 1940 vollzogene Amtswechsel von Bürckel zu Baldur von Schirach verzögerte eine Entscheidung in Wien. Aber Daimler-Benz ließ nicht locker: Um die Sache zu beschleunigen, schickte man den Wiener Vertreter Hans Scharrer gemeinsam mit dem SS-Sturmbannführer Benedikt Karg am 10. September 1940 ins Museum, um mit Direktor Schützenhofer direkt zu verhandeln. In diesem Gespräch stimmte Schützenhofer zu, in Hinkunft dem„Benz-Wagen“ den repräsentativsten Platz in der Abteilung Kraftfahrzeugwesen einzuräumen, 110 jedoch wollte er den Marcus-Wagen, wie er dem Ministerium schrieb, an anderer Stelle weiterhin in der Schausammlung präsentieren:„Vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt ist zu bemerken, dass die Erfindung des Marcus als Frühleistung eine allgemein anerkannte und in allen Fachkreisen bekannte Tatsache ist und der bisherige Verbleib des Marcuswagens im Technischen Museum keinen Ausnahmefall darstellt, da beispielsweise im Deutschen Museum in München auch noch die Juden Lieben(Lieben-Röhre) und Hertz(Hertzwellen) vertreten sind“. 111 Am 8. Oktober verfügte aber der neue Kulturreferent des Reichstatthalters Baldur von Schirach, den Marcus-Wagen ins Depot zu verfrachten, was noch am selben Tag vom Museum erledigt wurde. Am 16. November 1940
Dokument
Inventarnummer 1938 : Provenienzforschung am Technischen Museum
Wien / Christian Klösch
Seite
58
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten