Exkurs: Der große Autoklau.Entzug und Restitution von Kraftfahrzeugen in Österreichwährend und nach der NS-Zeit83Jüdischer Automobilbesitz in Österreich vor 1938Laut Volkszählung von 1934 lebten in Österreich 191.481 Personen jüdischen Glaubens, die überwiegende Mehrzahl davon, nämlich 176.034(92Prozent), in Wien.162Wien war nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland Österreichs, es wies auch bei weitem die größte Dichte an Kraftfahrzeugen auf. Während rund 28 Prozent der Bevölkerung Österreichs in Wienlebten, waren fast die Hälfte aller Personenwagen und Taxis sowie etwa 43Prozent der Lastkraftwagen in Wien gemeldet.Es gibt nur wenige Motorradverzeichnisse aus dieser Zeit und kaum gesicherte Hinweise auf die tatsächliche Anzahl der Lastkraftwagen im Eigentum jüdischer Firmen. Die erhobenen Zahlen sind für die Personenkraftwagen aus Wien am aussagekräftigsten. Von den 10.257 Personenwagen,die 1937 in Wien gemeldet waren, standen 2.096 im jüdischen Eigentum,das entspricht einem Anteil von 20 Prozent. Verglichen mit ihrem Bevölkerungsanteil von 9,4 Prozent waren also Juden unter den Haltern von Personenkraftwagen weit überrepräsentiert. Innerhalb kürzester Zeit nach dem„Anschluss“ wurden 20 Prozent aller in Wien gemeldeten Personenwagengeraubt – der größte Autoklau in der österreichischen Geschichte.Die Enteignung der jüdischen Kraftfahrzeugbesitzer„Ich hatte einen alten Steyr XXX, Wert schätzungsweise RM[Reichsmark]500, der mir Mitte März beschlagnahmt wurde”, schrieb die HausfrauSelma Baum 1938 in ihrer Vermögensanmeldung. Der jüdische Rechtsanwalt Heinrich Rübner erklärte:„Ich besitze auch ein Auto Marke Steyr 430,welches 5 Jahre alt ist. Ich kann jedoch dieses nicht schätzen, da der Wagen zusammen mit den übrigen Autos jüdischer Besitzer unmittelbar nachdem 11. März 1938 beschlagnahmt wurde und ich weder weiss, wo sich derWagen befindet, noch in welchem Zustand er ist”.163Solche und ähnlicheAngaben findet man in vielen Vermögensanmeldungen, die österreichischeJuden im Frühsommer 1938 bei der Vermögensverkehrsstelle im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit abgeben mussten.Unmittelbar nachdem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich am 13. März 1938 kam es,