DOI 10.60531/INSIGHTOUT.2023.1.7| HAGEMANN, WAGNER: LUNCHABLES_ INSIGHTOUT 1(2023) 62Das n ist eine mathematische Variable, die markieren soll, dass es sich um eine erweiterbare Mengehandelt. So sind wir beispielsweise besonders an denräumlichen Aspekten der Beziehungen interessiert,die wir untersuchen. Familienbeziehungen etwa sindeng verbunden mit den Lebensbedingungen in Mietwohnungen. Raum als Sphäre der(Re-)Produktionvon ‚Wissen‘ und Machtverhältnissen spielt ebensoeine wichtige Rolle bei der Konzeption von Ausstellungen und anderen Formen der Vermittlung. Dasgilt genauso für die Materialität der Nahrungsmittelund der Dinge, die zu ihrer Herstellung, ihrem Kauf,ihrer Zubereitung und ihrem Verzehr nötig sind, wieauch für die materiellen Gegebenheiten einer Ausstellung, einer Internetseite, einer Publikation oderanderer Mittel der Herstellung und Verbreitung vonForschungsergebnissen. ‚Wissen‘ hat ebenfalls einegroße Bedeutung. Dabei denken wir vor allem an bestimmte Fähigkeiten, Praktiken und Kenntnisse, diewir vorläufig als Überlebensstrategien im Arbeitsfeldder Krise beschreiben würden. An unseren Mütternund anderen Personen konnten wir sehen und lernen,wie sie versuchten, trotz geringer finanzieller Möglichkeiten spezifischen Anforderungen gerecht zuwerden, vor allem aber, der Rollenerwartung einer‚guten Mutter‘ zu entsprechen, die eng mit essbezogenen Handlungen und dem Kontext häuslicherCare-Arbeit sowie mit Vorstellungen von ‚Emotionalität‘ und ‚Liebe‘ verbunden ist. Die entsprechendenPraktiken und ihre Ausbildung waren oft von einerScham darüber motiviert, was eine ‚gute Mutter‘ ist.In unserem Projekt geht es auch darum, derartigesWissen und ähnliche Überlebensstrategien sichtbarzu machen, ihnen Wert beizumessen und sie in einemermächtigenden Sinn neu zu kontextualisieren. Dasgeschieht etwa, indem gesammelte Lifehacks undTechniken für andere in einer Weise zugänglich gemacht werden, die ihre Urheberinnen und die Umstände, aus denen sie hervorgegangen sind, benennen, erklären und als wertvoll erkennbar machenkann.Ein wichtiger Teil unserer Arbeit besteht in der Konzeption von Interventionen. Darunter verstehen wirAktionen und Prozesse, mit denen ‚Wissen‘ eingreifendverändert werden soll und die immer eine praktische,öffentlich sichtbare Dimension haben. Sie werdenvon Recherchen und weiterführender Auseinandersetzung begleitet, sind von größeren Agenden undProgrammen gerahmt und flottieren frei zwischen diversen Theoriesets. Zur Vorbereitung derartiger Formate ist die Analyse jener Phänomene wichtig, diedie Wahrnehmung der relevanten Kontexte beeinflussen. Dazu zählen konkrete Erfahrungen betroffener Personen ebenso wie populärkulturelle Artefakteund Klassen- und Ernährungswissen in medialisierterForm, etwa in der Gestalt von Produktdesigns, Werbung und Vertriebsstrukturen. Hierfür beschäftigenwir uns neben Gesprächen miteinander, mit anderenBetroffenen und Expert_innen aus verschiedenen Feldern, mit ernährungsbezogenem Material jeglicherArt, seien es konkrete Lebensmittel, historische undaktuelle Fernsehwerbung, die Verpackungen vonFast Food, Forschungsliteratur, Kochbücher, Fotosvon Familienfeiern, Speisekarten und so weiter. Umhier eine unserer theoretischen Fragen, die schwierige Rekonstruktion subtil in mediale Zusammenhänge eingebetteter Klassenverhältnisse, ein wenigzu erläutern, haben wir uns für ein Fertigessen fürSchulkinder entschieden, das in den USA bis heutepopulär ist, in Deutschland dagegen nur eine kurzeLebensdauer hatte: dieLunchables.BeiLunchableshandelt es sich um abgepackteMahlzeiten der inzwischen zum Kraft-Heinz-Konzerngehörenden US-amerikanischen Firma Oscar Mayer. Angeblich wegen einer Krise im Absatz von Bologna-Wurst entwickelten vier Designer_innen 1985eine neue Möglichkeit, dieses und ähnliche Fleischprodukte attraktiver zu vermarkten. Zugleich botensie mit den fertigen Arbeits- und Schulpausenmahlzeiten amerikanischen Müttern eine zeitsparendeAlternative zu selbst gekochtem Essen bei ihrer