DOI 10.60531/INSIGHTOUT.2023.1.7| HAGEMANN, WAGNER: LUNCHABLES_ INSIGHTOUT 1(2023) 63 eigenen Versorgung und der ihrer Familien. 1 Das Produkt kam 1988 auf den Markt und macht nach nunmehr dreieinhalb Jahrzehnten noch immer den weit überwiegenden Anteil am Segment vorportio­nierter Lunchangebote aus(2018 sollen es 84 % bei combination lunches für Kinder gewesen sein 2 ). Im Schuljahr 2023/24 wird es sogar erstmals Teil des School Lunch Program in den USA sein, sodass Schulen ihren Schüler_innen Lunchables auch selbst in den Kantinen anbieten können. 3 Sollten Sie das Produkt nicht kennen, nehmen Sie sich vor dem Weiterlesen kurz Zeit, um sich mit der Zusammen­setzung und dem Erscheinungsbild(z. B. online) ver­traut zu machen. Dieser in den USA weit verbreitete Akteur interve­niert über seine Werbestrategien strukturell in die Beziehung zwischen Müttern, die nicht erst in den Marktstudien der Lunchables -Erfinder_innen als hauptverantwortlich für Schulmahlzeiten erkannt wurden, und ihren Kindern, für die diese Mahlzeiten bestimmt sind. Designrhetorisch knüpften die ers­ten Verpackungen an die bereits zuvor bekannten TV-Dinner an 4 und adressierten auf mehreren Ebe­nen das Zeitregime der Mutter, des Kindes sowie die esskulturellen Prämissen des Schulkontexts. 5 Zugleich würde sich ein genauer Blick auf diese For­men des verzehrfertigen Mitnahmeessens als Teil einer Geschichte militärischer Einsatzverpflegung für Einzelpersonen lohnen. 6 1998 wurden Luncha­bles auch auf dem deutschen Markt eingeführt. Sie hatten dort sehr viel weniger Erfolg als in den USA und verschwanden spätestens 2007 wieder aus den Regalen der Supermärkte. 7 Das Angebot war in Deutschland sehr reduziert: Unserer Erinnerung nach gelangten nur zwei Basisvarianten der Luncha­bles auf den deutschen Markt, bei denen Putenschin­ken beziehungsweisePizzasalami und Käse auf Cracker gelegt wurden. In den USA dagegen ist die Produktpalette sehr groß und wurde über die Jahre stetig erweitert, unter anderem mit vermeintlich ge­sünderen Bestandteilen alsFun Fuel oder Varian­ten mit Zimtschnecken undmexikanischen Nachos. Mit dem Heranwachsen der ersten Generation, die in ihren Schulpausen mit Lunchables gefüttert wur­de, erschienen im Internet auch Reflexionen über die Esskultur beispielsweise junger urbaner, häufig klassenreisender 8 Akademiker_innen, etwa des be­liebten Charcuterie-Boards. Dabei werden verschie­dene Käse- und Wurstsorten sowie andere Delikates­sen neben Crackern oder Brot dekorativ auf einem massiven Holzbrett angerichtet. Aus der Perspektive einer Kindheit mit Lunchables erscheint die Aufma­chung und Zusammensetzung der Produkte dann in Memes und Reddit-Posts als derenfancy Variante für Erwachsene. 9 1 Vgl. https://www.sfgate.com/shopping/article/history-of-Lunchables-15369850.php(28. 7. 2023). 2 Vgl. https://www.theatlantic.com/family/archive/2018/11/lunchables-30-years-invented-history/576025/(28. 7. 2023). 3 Vgl. https://www.theguardian.com/us-news/2023/mar/14/lunchables-school-lunch-programs und https://edition.cnn. com/2023/03/13/business/lunchables-in-schools/index.html(28. 7. 2023). 4 Vgl. etwa Michael Moss: Salt Sugar Fat. How the Food Giants Hooked Us . New York 2013. S. 192. 5 Ebd., S. xxvi:Lunchables, for one, are a marketing powerhouse, specifically designed to exploit the guilt of working moms and the desire of kids for a little empowerment. These ready-to-eat meals typically include pieces of meat, cheese, crackers, and candy, all­owing kids to assemble them in whatever combination they desire. Food marketers wield pinpoint psychological targeting, and they didnt disappoint on the Lunchables ads: The ads stressed that lunch was a time for them, not their parents. 6 Der englische Wikipedia-Artikel zu den Lunchables weist auf diese Verbindung zumindest implizit hin, indem die Lektüre des Arti­kelsMeal, Ready-to-Eat unterSee also vorgeschlagen wird: https://en.wikipedia.org/wiki/Lunchables(28. 7. 2023). 7 Den Flop der Lunchables in Deutschland vermerkt auch Oliver Nickel:Haptische Reize in der Kommunikation effektiv gestalten, in: Tobias Langner, Franz-Rudolf Esch, Manfred Bruhn(Hg.): Handbuch Techniken der Kommunikation. Grundlagen Innovative Ansätze Praktische Umsetzungen. 2., vollst. überarb u. erw. Aufl. Wiesbaden 2018, S. 195–222, hier S. 211. 8 Der Begrif derKlassenreise beschreibt den Prozess des Wechsels sozialer Milieus, ohne dabei eindimensional von Auf- oder Abstieg zu sprechen. Vgl. zum Begriff etwa Betina Aumair, Brigitte Theißl(Hg.): Klassenreise. Wie die soziale Herkunft unser Leben prägt. 3. aktual. u. erw. Aufl. Wien 2023. 9 Eine kurze Bildersuche der beiden Begriffe genügt, um sich hierzu einen Überblick zu verschaffen.