DOI 10.60531/INSIGHTOUT.2024.2.5| HEILIG, LORENZ: QUEERING EXHIBITIONS_ INSIGHTOUT 2(2024) 22Fallstudie 1: IntersektionaleEnergiewendeIm September 2023 fand der dritte Workshop zuGender and Sexuality in STEM Collections mit demSchwerpunktthema Infrastruktur am Technischen Museum Wien statt. Im Zuge dessen wurde eine Führungmit intersektionalem Fokus durch die neu eröffneteSonderausstellung„Energiewende. Wettlauf mit derZeit“ von Pamela Heilig konzipiert. Zielgruppe derFührung war demnach ein informiertes Fachpublikumbestehend aus den Konferenzteilnehmenden, bei denen ein gewisses Vorwissen angenommen wurde.Die Führung wurde nachträglich und ergänzend zurAusstellung entwickelt. Daher kommt es bereits aufbaulicher Ebene zu ersten Hindernissen. Die Ausstellung„Energiewende. Wettlauf mit der Zeit“ istinnerhalb des Museums in einem fünfgeschossigenMetalleinbau in der östlichen Halle angesiedelt. Aufden einzelnen Ebenen dieses Turmes ist relativ wenigPlatz, was sich besonders negativ auf Führungen mitgrößeren Personengruppen auswirkt. Um den Besuchenden eine bessere Orientierung zu geben, wirdder Ausstellungspfad stark durch die Ausstellungsmöbel und die Leitobjekte strukturiert. Das erschwertes, auf einer physischen Ebene einem Narrativ zufolgen, das nicht bereits in der Architektur berücksichtigt wird. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sichaus dem Ausstellungsthema. Da die Energiewendeein systemisches Phänomen darstellt, gestaltet sicheine Ausstellung zu dem Thema als relativ objektarm.Deswegen werden viele Inhalte durch Infografikenübermittelt. Dadurch ergibt sich eine noch größereDistanz zwischen Besuchenden und Objekterzählung, und diese Distanz muss in der Vermittlungsarbeit überbrückt werden. Gleichzeitig erhöht sie dieRelevanz einer intersektionalen Betrachtung. Bei derEnergiewende handelt es sich um einen Systemwandel, der von den unterschiedlichen gesellschaftlichenGruppen getragen wird und diese auch beeinflusst.Thematisch gibt es somit viele Anknüpfungspunktefür eine intersektionale Führung, die diese Strukturenin ihrer Komplexität berücksichtigt.Repräsentation undAuslassungDie Führung beginnt auf der untersten Ebene, inder Ursachen und Auswirkungen des Klimawandelsgegenübergestellt werden. Hier wird unter anderemAktivismus als wichtiges Element der Klimapolitikgenannt. Die Ausstellung gibt durch die Bildauswahl implizit ein weit verbreitetes, jedoch einseitigesNarrativ wieder: bei den proaktiv agierenden Personen handelt es sich umweißeKlimaaktivist_innenaus dem globalen Norden, während Bewohner_innenaus dem globalen Süden ausschließlich als von denAuswirkungen des Klimawandels Betroffene gezeigtwerden.Die intersektionale Position setzt hier an und stelltKlimaaktivist_innen aus dem globalen Süden vor,während sie gleichzeitig thematisiert, dass die reichen Bewohner_innen des globalen Nordens dengrößten CO2-Fußabdruck hinterlassen. Der ärmsteTeil der Weltbevölkerung sowie Personen aus demglobalen Süden erfahren die stärksten Folgen desKlimawandels, obwohl sie statistisch gesehen dasgeringste klimaschädliche Verhalten aufweisen. Beidiesem Vergleich hilft eine Infografik in der Ausstellung, die nationale und per Kopf CO2-Emissionen gegenüberstellt und genau diese Ungleichheit sichtbarmacht.9Die systeminhärente Abwesenheit von marginalisierten Stimmen in der Ausstellung/im Museumlässt sich an dieser Stelle sehr überzeugend demonstrieren: Die Vermittlung weist nicht nur auf das Fehlende, sondern auch auf das Fehlen selbst hin. Intersektionalität bietet ein Instrumentarium, um das hierwirksame Zusammenspiel von Klasse, Ethnie, Geschlecht, Race und Religion zu dekonstruieren. Das inden Vordergrund-Rücken von etwas, das an den ge9T. Gore:Carbon Inequality in 2030. Per capita consumption emissions and the 1.5⁰C goal. Oxford 2021. L. Chancel, P. Bothe, T.Voituriez:Climate Inequality Report 2023,World Inequality Lab Study 2023, 1.