DOI 10.60531/INSIGHTOUT.2024.2.5| HEILIG, LORENZ: QUEERING EXHIBITIONS_ INSIGHTOUT 2(2024) 23 sellschaftlichen Rand gedrängt wird, erfordert eine Neuorientierung der Besucher_innen. Der durch die­sesQueering erfolgte Perspektivenwechsel betrifft sowohl globale Beziehungen und Positionen einzel­ner vorgestellter Aktivist_innen als auch die eigene Rolle innerhalb dieses Systems. Ausgehend von der Frage nach den politischen und industriellen Entscheidungstragenden, werfen wir beim Kapitel zum Ausbau des erneuerbaren Stroms einen Blick auf die Geschlechterverteilung in der Energiebranche. Der Anteil an weiblichen Führungs­kräften und Technikerinnen ist sektorenübergreifend wesentlich geringer als der von Männern.(Unbe­zahlte) Care-Arbeit, eine Tätigkeit, die in Österreich weiterhin hauptsächlich von Frauen ausgeführt wird, kann als ein ausschlaggebender Faktor genannt wer­den. 10 Diese Aussagen stützen sich jedoch auf einer Datengrundlage, in welcher nur Frauen und Män­ner erfasst wurden. Erfahrungen queerer Personen werden in der intersektionalen Führung praktisch nicht abgebildet. In der Vermittlung wird auf diese Leerstelle lediglich verbal hingewiesen. Die Führung ordnet sich diesbezüglich einem heteronormativen Diskurs unter, den es allerdings im gleichen Maße zu kritisieren gilt. Die systemische Ungleichheit im Energiesektor kann auch schwer an Objekten festgemacht werden. Die exemplarische Auswahl an Exponaten steht reprä­sentativ für die primären Energiequellen grünen Stroms, und somit für die technische Infrastruktur. Wie diese jedoch geleitet wird, übersteigt den Rah­men der Ausstellung. In diesem Fall liegen die Expo­nate als Orientierungshilfen und die in der Vermitt­lung gestellte Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe weit auseinander. Um auf die zusätzliche Informa­tion(ungleiche Geschlechterverteilung in der Bran­che) hinzuweisen, muss durch die Vermittlung erst ein Kontext geschaffen werden, der durch die Aus­stellung selbst nicht erbracht wird. Die Schwierigkei­ten und Chancen, die durch diese inhaltliche Distanz entstehen, werden im folgenden FallbeispielTMW que(e)r gelesen näher behandelt. Fallstudie 2: TMW que(e)r gelesen Das FormatTMW que(e)r gelesen wurde 2020 von Elliott Steixner und Sophie Gerber ins Leben ge­rufen, 2022 von Sophie Gerber und Rosalie Lorenz weiterentwickelt und seither zumeist im Rahmen des Pride Monats geführt. 11 Ausgesprochen essen­tiell für die Weiterentwicklung des Formats hat sich das Einholen von Feedback mittels Fragebögen von Seiten der Teilnehmenden erwiesen, wovon ein Großteil der queeren Community angehörte. So ist das Format seit 2022 stetig weiter gewachsen. Mittlerweile istTMW que(e)r gelesen Teil des re­gulären Führungsangebots, somit Teil der Museums­Infrastruktur und kann jederzeit angefragt werden. Distanz und Desorientierung Die Ticketpreise für Eintritt und Führung stellen für manche eine Barriere dar. Mit der Führung sollen unter anderem queere Personen angesprochen wer­den; eine soziale Gruppe, die durchschnittlich weni­ger einkommensstark ist als ihr cis-heterosexuelles Gegenüber. 12 Wenn Angebote für marginalisierte Gruppen ausgebaut werden, ist es wichtig, die Be­dürfnisse dieser zu berücksichtigen und Möglichkei­ten zu finden, den Museumsraum besser zugänglich zu machen. 10 B. Hausner et al.: Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Energiebranche. Endbericht. Wien 2016. 11 Der Austausch mit Eleanor Armstrong, die 2018 queere Führungen am Science Museum in London, Großbritannien, konzipierte und durchführte, war sehr bedeutsam in der konzeptuellen Phase. E. S. Armstrong:Towards queer tours in science and technology museums, in: Museum& Society, 20(2022), Heft 2, S. 205–220. 12 M. Carnegie: The big LGBTQ+ wage gap problem. https://www.bbc.com/worklife/article/20220603-the-big-lgbtq-wage-gap-pro­blem(22. 5. 2024).