DOI 10.60531/INSIGHTOUT.2024.2.7| NIEDERBERGER: WIE INFRASTRUKTUREN USER MACHEN_ INSIGHTOUT 2(2024) 39 Der oder die User:in als kulturelle Form hat zwar mit Subjektivität und Identität zu tun, aber nicht in Bezug auf ein Individuum, sondern als eine geteilte Vorstellung. Mit User:in meine ich eine kulturelle Form. Dies ist ein oft implizites und unartikuliertes, aber breit geteiltes Verständnis davon, welche Art von technologischer Praxis wir meinen, wenn wir von User:innen sprechen. Ich meine damit keine psychologische Perspektive, die sich auf das Innenleben eines Individuums bezieht, noch eine soziologische oder anthropologische Perspektive auf eine Gruppe von lebenden Personen in ihren spezifischen kulturellen Kontexten. Der oder die User:in als kulturelle Form hat zwar mit Subjektivität und Identität zu tun, aber nicht in Bezug auf ein Individuum, sondern als eine geteilte Vorstellung. Wie die Philosophin Olga Goriunova hervorhebt, entwickelt sich individuelle Subjektivität immer im Zusammenhang mit gemeinsamen Vorstellungen darüber, was es bedeutet, in der Welt zu Der Umgang mit digitalen Technologien macht Men- sein, z. B. als Frau, als Erwachsene:r oder – in unseschen auf immer neue Weisen zu User:innen. Digitale rem Fall – als User:in. Diese gemeinsamen kulturelTechnologien bedeuten heute in der Regel daten- len Vorstellungen werden in Abgrenzung zu Subjekgetriebene Umgebungen. Digitale Plattformen prä- tivität als„Subjektpositionen“ bezeichnet. 1 Sie sind gen die persönliche und berufliche Umgebung und Rollenmodelle oder Figurationen und bieten eine auch die Art und Weise, wie wir uns zueinander, zu Position in der Welt, von der aus diese Bedeutung uns selbst und zur Welt verhalten und wie wir uns auf bekommt. Als gemeinschaftliche Vorstellungen wersozialer und politischer Ebene organisieren. Daten den Subjektpositionen im kulturellen Bereich artisind allgegenwärtig, und sie werden großteils von kuliert und entwickelt und dienen als Hintergrund den Nutzer:innen manchmal freiwillig, oft unfreiwil- für die Entwicklung von individueller Subjektivität. lig oder unbewusst durch Interaktionen mit Platt- Subjektpositionen werden durch geteilte Praktiken formen und cloudbasierten digitalen Infrastrukturen und die beteiligten Gemeinschaften geformt, und erzeugt. Was bedeutet es heute, User:in zu sein? Wie Menschen beziehen sich auf viele unterschiedliche profitieren datengetriebene Technologien nicht nur Subjektpositionen, oft auch gleichzeitig. Goriunova von der Interaktion der User:innen, sondern produ- hat herausgearbeitet, wie spezifische aktivistisch/ zieren auch mit, was wir heute unter User:in verste- künstlerische digitale Praktiken neue Subjektpositihen? Und wie können wir die Beziehungen zwischen onen entwickeln. 2 Allerdings sind es nicht nur außerPlattformen und User:innen auf eine Weise denken, gewöhnliche Praktiken, die neue Subjektpositionen die Handlungsräume eröffnet? hervorbringen, sondern der Prozess der kollektiven 1 O. Goriunova:„Uploading Our Libraries: The Subjects of Art and Knowledge Commons“, in: F. Stalder, C. Sollfrank, S. Niederberger (Hg.): Aesthetics of The Commons. Zürich, Berlin 2020. 2 Ebd.
Aufsatz in einer Zeitschrift
Wie Infrastrukturen User machen : Mastodon und Feminist Server
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